Zwei alte Freunde haben sich in einer kleinen Bar in der Schweiz zu einem kleinen Abendtrunk verabredet. Sie kennen sich seit ihrem gemeinsamen Abitur und haben sich schon seit sieben Jahren, nicht mehr gesehen.
Beide sind erfreut einander wiederzusehen und fallen sich herzlichst in die Arme. Henry hat nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann abgeschlossen, danach Betriebswirtschaft studiert und ist bei einem größeren Versicherungs- und Bankhaus im Management beschäftigt. David dagegen hat Religionswissenschaft, Philosophie, Mathematik, Sprachwissenschaften und Physik studiert, jedoch alle Studiengänge nach dem zweiten oder dritten Semester wieder abgebrochen und beschlossen zu Hause auf eigene Faust zu studieren. Er hat viele Reisen zu den entferntesten Orten gemacht und mit den verschiedensten Leuten gesprochen, war immer ein guter Schüler und wissbegierig zu erfahren und zu verstehen, nach welchen Mustern, Gesetzen und Regeln die Schöpfung funktioniert. Nicht nur die Regeln der Materie, sondern vor allem auch die Regeln und Gesetze des Geistes interessierten ihn sehr.
Nach der Begrüßung und dem Bestellen der Getränke beginnt das nun folgende Gespräch zwischen den ehemals gleichen Freunden.
(Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als unsichtbarer Dritter mit am Tisch und hören jetzt aufmerksam dieses Gespräch mit!)
„Sag mal David, was willst du eigentlich mit deinem Studium erreichen?“
„Ich will eigentlich nur verstehen, wie die Schöpfung funktioniert. Ich habe keine Ziele, auf die ich hinarbeite.“ „Aber von irgendwas musst du doch leben können, wenn du mal älter bist.“ „Ich lebe eigentlich ganz gut. Schon seit ich mit meinen eigenen Reisen und Studien begonnen habe, fehlte es mir an nichts. Es war und ist immer alles im Überfluss vorhanden.“ „Aber wer zahlt denn die Reisen und deine Verpflegung? Woher kommt denn das Geld für all deine Bücher und Kleidung?“ „Das ergibt sich so. Entweder werde ich eingeladen oder ich bekomme eine Gelegenheit mir etwas zu verdienen. Meist ist aber irgendein „Wunder“ im Spiel. Es geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat.“ „Du versuchst mir auszuweichen. Kein Mensch kann ohne Geld existieren, zumindest nicht menschenwürdig leben. Geld regiert nun mal die Welt, da kommt keiner vorbei und jeder der es versucht, wird irgendwann auf der Straße landen und von der Sozialhilfe, das heißt auf Kosten der Gesellschaft, leben. Und solche Schmarotzer sind mir wirklich zu wider! Zu faul eigenes Geld zu verdienen und dafür bei anderen zu saugen, wie die Zecke am Hals. Nein, so was verabscheue ich zutiefst.“ Henry verzog eine so verachtenswürdige Mine, dass jeder, nur allein beim Gedanken an Sozialhilfe, sich schämen musste.„Ich kann dich beruhigen“, sagt David, „Ich lebe nicht von Sozialhilfe. Du kannst also ruhig mit mir weiterreden!“ „Na ja, das hätte ich von dir auch nicht erwartet.“ Henry lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Rotweinglas.
„Sag mal David“, bohrt Henry weiter, „kann man denn bei all deinen Studien überhaupt noch Realist bleiben?“ „Wie meist du das?“, fragt David. „Nun ja, ich meine, bei all deinen geistigen Spinnereien, … ich meine Ansichten, kann man da noch auf dem Boden der Tatsachen bleiben? Ich meine, ob man da nicht sehr schnell abhebt, bei dieser „nach Gott Suche“ und so? Glaubst du denn an Gott, ich meine so richtig?“ Henry verzog wieder das Gesicht, nur diesmal eher etwas mitleidig.
„Was soll ich dir sagen, Henry. Es wird schwierig für mich dir meinen Standpunkt zu vermitteln, der auf all meinen Erfahrungen und all meinem Wissen beruht, aber trotzdem will ich es versuchen. Weißt du, was „Polarität“ ist?“ „Äh na ja, … schon irgendwie. Das bedeutet doch, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt, also immer zwei Seiten einer Medaille, oder?“ „Ja, so ähnlich. Eine Polarität zeichnet sich dadurch aus, dass die eine Seite immer mit der anderen untrennbar, gleichzeitig auftreten muss, obwohl sie sich eigentlich vom Grunde her beide widersprechen. Du kannst aber immer nur eine Seite wahrnehmen, während die andere Seite parallel verborgen ist. Wenn du „Krieg“ in deinem Bewusstsein hast, dann ist der „Frieden“ die Gegenseite, die unsichtbar im Hintergrund den Kontrast bildet. Ohne einen Kontrast oder Unterschied kannst du nichts wahrnehmen. Alles, was du wahrnimmst ist letztendlich polar aufgebaut. Jede Farbe hat ihre Komplementärfarbe und erst im Hintergrund von der einen kannst du die anderen sehen. Du kannst das Prinzip noch schön beim Photographieren mit einem Photofilm sehen. Es gibt immer ein Dianegativ und ein Diapositiv, die zusammen reines, weißes, unsichtbares Licht ergeben. Zu „links“ gehört „rechts“, zu „warm“ gehört „kalt“, zu „hell“ gehört „dunkel“ und zu der „Stille“ gehört das „Geräusch“. Jeweils zwischen der Polarität entstehen unendlich viele „Zwischenstufen“, die von einem extremen Pol zum anderen führen. Schön erkennen, kannst du es an dem polaren Beispiel der Farben von „Schwarz“ und „Weiß“, denn es liegen unendlich viele „Grautöne“ dazwischen.
“ David macht eine kurze Pause, um das gerade gesagte bei Henry wirken zu lassen, bis er dann fortfährt: „Etwas allgemeiner formuliert, würde es bedeuten, dass aus der Polarität die unendliche Vielfalt resultiert und jede Position innerhalb der Polarität eine mögliche Sichtweise darstellt!
Wenn du ein bisschen darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass du alles nur aufgrund eines Gegensatzes wahrnehmen kannst. Selbst dieses Glas hier kann nur existieren, weil es, etwas abstrakt formuliert, einen Hintergrund gibt, der „Nicht-Glas“ ist.
Kannst du mir soweit folgen?“
„Hm. Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt. Das müsste ich mir erst mal durch den Kopf gehen lassen, aber es scheint so zu sein! Ich glaube, ich hab schon mal was darüber in einem Managertraining gehört.“ „Gut, hat dein Studium zumindest eine kleine Frucht hervorgebracht!“ „Wie meinst du das?“, fragt Henry etwas irritiert und erstaunt über so eine spitzfindige Bemerkung. „Das sage ich dir am Ende. Lass mich erst mal weiter erklären. Du willst doch eine Antwort auf deine Fragen haben, oder nicht?“ „Ja natürlich irgendwie schon, also fahre fort, aber heb jetzt nicht ab.“ „Nein, keine Angst. Ich bin mehr Realist, als du glaubst. Und ich behaupte sogar, dass ich ein weitaus größerer Realist bin, als du!“
Henrys Gesichtsmimik verrät etwas Irritation, denn so ein ausführliches Gespräch auf seine doch eher flapsige Bemerkung über Davids Studium hat er nicht erwartet. Aber David erklärt weiter: „Also, jetzt zurück zu unserer Polarität. Ein weiteres wichtiges Kriterium der Polarität ist die Synthese. Jede Polarität hat nämlich auf einer höheren Stufe eine Synthese, die jeweils beide Pole gleichzeitig enthält und einen höheren Komplex bildet. Ich will dir ein paar Beispiele geben, die zwar selbst noch polar sind, aber schon das Prinzip der Synthese verdeutlichen können: Die Münze: sie hat zwei Seiten und beide Seiten benötigen einander als Kontrast (Kopf und Zahl), wobei sie beide gleichzeitig in der höheren Synthese, der Münze, aufgehen. Genauso ist es mit dem mathematischen Kegel. Er ist auf einer zweidimensionalen unteren Ebene entweder „Kreis“ oder „Dreieck“, in Wirklichkeit aber „Kreis und Dreieck“. Ein anderes Beispiel ist die „Wurst“ mit ihren beiden Enden, oder noch besser ist das „Tai Chi“ ☯ Symbol, als Beispiel für die Synthese und die zwei Hälften, weiß und schwarz, als die symbolischen zwei Seiten der Polarität.
Man kann in einer Polarität nie die eine Seite von der anderen Seite trennen. Beide gehören immer zusammen und gehen in der höheren Synthese harmonisch auf. Hast du das soweit verstanden, Henry?“ „Ja, ich denke schon!“ „Gut. Dann frage ich dich, was ist die Synthese aus „Krieg und Frieden“, oder „links und rechts“, oder „warm und kalt“, oder „blau und orange“?
Darauf ist Henry jetzt nicht vorbereitet gewesen. Er überlegt kurz und sagt: „Äh, Moment … ich weiß es nicht! Sag es mir!“ „Du kannst dir die Synthese weder denken noch vorstellen! Aber du kannst mit deinem logischen Verstand bis zu der Grenze kommen, dass du 100 %ig sicher sagen kannst, dass es eine Synthese geben muss. Du kannst sie aber nicht denken, da dein Denken und dein Vorstellen polar aufgebaut sind und du immer nur eine Seite der Polarität z.B. „warm“ denken kannst, während immer gleichzeitig im Hintergrund unsichtbar „kalt“ verborgen ist. Die Synthese ist für dich nicht wahrnehmbar!“
„Das würde bedeuten, wenn alles polar aufgebaut ist, und dass muss ich erst noch überprüfen, dann gibt es eine Art höhere Wirklichkeit, eine Überwelt, eine Welt der Synthese, die jenseits unserer Vorstellung und unseres Denkens liegen muss. Ist es das, was du mir damit sagen willst?“ Henrys Ausdruck erhell sich und er beginnt Davids Ausführungen interessant zu finden. „Gut mitgedacht. Genauso ist es! Und diese Synthese aller Synthesen nennen die Religionen GOTT, Allah, JHWH, Krishna, Trinität, Heiliger Geist, Tao, usw.
Du kannst jetzt vielleicht auch nachvollziehen, wie albern es ist sich über GOTT zu streiten, da man die höchste Synthese in seine kleingeistigen, polaren Denkmuster pressen möchte. Das funktioniert nicht. Daher auch all die Meinungsverschiedenheiten über GOTT. Jeder hat seine polare Sicht von GOTT und in Wirklichkeit ist GOTT alle Sichtweisen gleichzeitig und noch viel mehr. So wie unser symbolischer Kegel eine Vielzahl an zweidimensionalen Kreisen Parabeln, Hyperbeln und sogar Dreiecken (alles Querschnitte durch den Kegel), darstellt, aber gleichzeitig ein ganzer höherer dreidimensionaler Körper ist.“
„Wenn das stimmt, was du mir erzählst und das muss ich erst noch überprüfen, dann wärealles, was ich wahrnehme, mein Denken und Vorstellen, nur eine Illusion im Vergleich zur eigentlichen Wirklichkeit, der Synthese?“, schlussfolgert Henry nach einer kurzen Ruhepause. „Sehr gut kombiniert. Ich hätte es nicht besser formulieren können. Du warst zurecht in der Schule immer der bessere Schüler von uns zwei“, schmeichelt David. „Um dir vielleicht noch eine bessere fühlbare Vorstellung von der „Illusionswelt – Polarität“ und der „Wirklichkeitswelt - Synthese“ zu geben, ist der Traum ein schönes, für dich nachvollziehbares Symbol. Wenn du heute Nacht einschläfst und träumst, dass du meinetwegen auf einem riesigen Berg Geld sitzt, dann ist dieser Zustand für dich im Traum erst mal Realität, vorausgesetzt, du weißt nicht, dass du träumst!“ „Ja, stimmt, wobei mir lieber wäre, dass es kein Traum ist,“ Henry bringt ein kleines Lächeln über seine ansonsten etwas steifen Lippen. „Wenn du dann morgens wieder wach geworden bist, dann weißt du, dass es nur ein Traum war, der zwar allen Anschein von Wirklichkeit hatte, aber letztendlich doch nur ein Traum war. Du weißt jetzt, dass das Geld, du selbst und der Raum in dem ihr euch befunden habt, nur Illusion waren. Kannst du dir das Gefühl gegenüber dieser Traumwelt im Verhältnis zu deiner Wirklichkeit bewusst machen?“
„Ja, es ist zwar schade, dass das ganze Geld nur Illusion war, aber natürlich weiß ich, wovon du redest. Ich kann das Gefühl der Irrealität und Illusion gegenüber einem Traum in der Nacht in mir finden und ich ahne, was du mir damit sagen willst: Die „Welt der Synthese“ verhält sich zur „Welt der Polarität“, also diese meine Vorstellungswelt, wie du sie nennst, wie „die Welt der Polarität“ zum „Traum“! Das erinnert mich, nebenbei bemerkt, ein wenig an den „Goldenen Schnitt“ verbunden mit dem Film „Matrix“.“ Henry hat versucht einen Scherz zu machen, doch merkt er, dass David nicht lacht, sondern seine Verbindung von Mathematik und Hollywood sehr ernst aufnimmt.
„Sehr gut kombiniert, Henry. Du bist ein cleveres Kerlchen. Ich habe für diese Erkenntnis viel länger gebraucht. Aber genau das wollte ich dir sagen. Ich wollte dir ein Gefühl der Illusion und Relativität deiner Welt geben und dir somit eine Vorstellung vermitteln, wie sich eine höhere Stufe zu einer Niedrigeren verhält, indem ich dir eine noch niedrigere Stufe als Verhältnisbeispiel geben, die du mit deinem Wissen fassen kannst. Arithmetisch betrachtet liegt zwischen 7 und 8 genauso viel, wie zwischen 6 und 7, nämlich genau „1“. Wobei „6“ unser Traum ist, „7“ ist die „Welt der Polarität“, also das, was du jetzt erlebst und „8“ ist die „Welt der Synthese“, die höhere Wirklichkeit.
Wenn du auf „7“ stehst kannst du „8“ zwar noch nicht wirklich fassen, du kannst in dir aber ein Gefühl für diese höhere Wirklichkeit hervorrufen, wenn du dir „6“ anschaust.“ 10 „Mir dämmert langsam wohin das führt und ich muss sagen, dass mir mulmig zumute wird.“ Henry blickt im Raum umher, schaut sich die Menschen, die Möbel, sowie die Bar an und spricht nachdenklich: „Dann wäre ja nichts, was uns umgibt absolute Wirklichkeit! Das würde doch komplett die Spannung aus allem nehmen!“ „Stimmt und stimmt nicht! Es ist genauso viel Wirklichkeit, wie in deinem Traum. Alles ist wirklich da! Fass doch das Glas an. Es ist doch alles „echt“ und erfahrbar. Werde jetzt bloß nicht unrealistisch, Henry!“
David kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, ergänzt aber gleich, „wenn du dir einen Film auf DVD anschaust, weißt du doch auch indirekt, dass die höhere Wirklichkeit nur aus einem Zahlencode auf der DVD besteht und das schmälert doch auch nicht dein Vergnügen am Film. Es hilft dir höchstens ruhig zu bleiben, wenn es zu spannend oder zu brutal wird, da du dir ja in Erinnerung rufen kannst, dass es nur ein Film und nicht wirklich echt ist.“
„Ja. Das stimmt. So gesehen ist es eigentlich eine ziemlich große Hilfe. Wenn ich dieses Wissen in meinem Alltag parat hätte. Ich hätte einige graue Haare und einige Sorgenfalten weniger und wahrscheinlich hätte ich auch kein Magengeschwür bekommen. Aber ich weiß noch nicht sicher, ob das auch alles stimmt, was du mir da erzählst. Das klingt alles viel zu einfach, um wahr zu sein!“ „Warum machst du es denn so kompliziert? Vielleicht ist alles viel einfacher als du es dir vorstellst? Vielleicht denkst du nur zu kompliziert und siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht!“
„Ich will dir jetzt nicht unbedingt widersprechen, nach alledem, was du mir gerade gesagt hast. Es kann durchaus sein, dass ich irgendwie doch nicht so einen großen Plan hatte, wie ich es annahm. Aber ich muss das alles erst mal überdenken und verdauen. Außerdem glaub ich, brauch ich eine kurze Pause. Ich geh mal auf die Toilette. Bin gleich wieder da!“
Henry ist einer der besten Absolventen auf der Uni gewesen. Er hat sein BWL Studium mit „summa cum laude“ abgeschlossen und auf dem Finanzmarkt ist er ein angesagter Manager. Er kann sehr schnell Zusammenhänge erfassen, wenn er sich intensiver mit ihnen beschäftigt, aber er will grundsätzlich auch nur das annehmen, was er verstehen und nachvollziehen kann. David denkt sich mit einer liebevollen, fast väterlichen inneren Stimme: „Dies, lieber Henry, war der erste Streich und der zweite folgt möglicherweise zugleich, nachdem du deine kleine Auszeit auf der Toilette beendet hast.“
Henry kommt wieder und man kann sehen, dass er sich wohl das Gesicht mit Wasser abgewaschen hat. Seine Haarspitzen sind noch ganz nass und die Augen leicht rot vom Reiben mit den Händen.
Er hat vorher noch zwei Gläser Rotwein bestellt, bevor er sich wieder auf seinen Platz setzt. Henry schaut David an, wie ein etwas eingeschüchtertes Kind seinen Lehrer anschaut, mit der etwas ängstlichen Frage im Gesicht „…und was kommt jetzt als nächstes?“
„Lass uns jetzt über dich sprechen, Henry. Wie sieht es eigentlich mit Geld aus?“ David kann sehen, wie in Henry das kraftvolle Leben zurückkehrt und aus dem Schüler schnell wieder der Meister wird, denn hierin kennt er sich nun wirklich aus. Er weiss so ziemlich alles über Geld. Er kennt alle wichtigen Fonds, Anlagen, Kapitalbeteiligungen, sowie die Finanzlagen der größten Firmen und Länder. Er hätte ohne Probleme aus dem Stegreif David, einen der besten Vorträge über „Die besten Renditen weltweit“ halten können.
Jetzt ist es an ihm, David aufzuklären, denn David hat ja offensichtlich keine Ahnung von Geld. Sein Körper erhebt sich und mit fester selbstsicherer Stimme fragt er: „Aber gern, David, was möchtest du wissen? Es freut mich, wenn auch ich dir etwas beibringen kann, auch wenn das Geld in die „Welt der Polaritäten“ fallen sollte, ist es ja durchaus mit das Wichtigste in dieser Welt!“ „So, so, „das Wichtigste dieser Welt“, dann sag mir doch mal, was an Geld so wichtig, oder besser noch, so wertvoll ist? Du glaubst doch, dass Geld wertvoll ist, oder Henry?“ „Aber natürlich, was für eine Frage! Das Geld ist das „Blut der Wirtschaft“, wie wir Banker sagen…“ , „… und die Banker sind dann die Blutsauger…“ scherzt David. Henry stutz, fängt sich aber schnell wieder „Nein … äh ja, ich meine, wenn du es so auslegen möchtest. Mir gefällt „Blutbank“ besser. Sie hilft, sozusagen als Retter in der Not, wenn mal ein Unternehmen etwas Knapp an Blut bzw. Geld ist. Aber du hast mich unterbrochen. Ich wollte sagen, dass das Geld das Blut der Wirtschaft ist und die Wirtschaft bestimmt das Wohlergehen einer Gesellschaft. Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut. Dann kann das Gesundheitssystem stabilisiert werden, die Bildung gefördert werden, die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden usw. und das alles hängt vom jeweiligen Geldbeutel, oder besser gesagt von der Finanzkraft des Landes ab! Ohne Geld keinen Wohlstand! So einfach ist das!“
„Ist es das wirklich? Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Du bist ihr nur ausgewichen!“ „Wie ausgewichen? Wieso? Welcher Frage bitte noch mal?“ „Was an Geld wertvoll ist?“ „Geld an sich hat keinen Wert, wenn du das meinst. Das Material oder die Zahlen auf dem Konto haben nichts mit dem eigentlichen Wert zu tun. Geld hat einen Tauschwert. Du kannst für Geld andere Waren bekommen, ohne andere Waren eintauschen zu müssen. Geld ist viel handlicher und praktischer, als mit einem Sackkarren voller Waren rumzulaufen und zufällig jemanden zu finden, der das braucht, was ich habe, und der zufällig auch das hat, was ich brauche!“
„Das bestreitet auch niemand“, David lässt nicht locker, „du sollst mir nur verraten warum jeder glaubt, dass Geld wertvoll ist, wenn doch gar nichts wertvolles an Geld ist!“ Henry überlegt kurz, dann versucht er David den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ah, jetzt weiß ich worauf du anspielst. Du spielst auf die Tatsache an, dass das heutige Geld schon lange keine Golddeckung mehr hat. Es wird von den Banken, besonders in den westlichen Ländern, im Prinzip aus dem Nichts erschaffen. Wir nennen das „Fiat Money“, die Bezeichnung stammt aus der Bibel von „Fiat Lux“ (Es werde Licht) glaube ich. Mit „Es werde Geld“ ist gemeint, dass das Geld einfach aus dem Nichts generiert wird. Ich weiß, dass private Banken das Geld für die Staaten und Regierungen drucken bzw. mittels Tastatur in einen Computer eingeben und es an sie gegen Zinsen verleihen. Na und…? Natürlich ist das im Prinzip die größte Verarsche, die die Welt je gesehen hat, aber…!“ „Henry“, unterbricht ihn David „Du brauchst mir hier nichts zu beichten. Ich hab kein Problem damit. Ich weiß das alles. Aber was ist mit meiner Frage? Was ist an Geld wertvoll?“
„NICHTS, gar nichts ist an Geld wertvoll. Es ist bedrucktes Papier oder Zahlen auf einem Konto, die rein imaginär sind. Es hat selbst keine Wertsubstanz! Ist es dass, was du wissen willst!“ „Und warum will es dann jeder haben, Henry?“ „Weil wir es schon immer so gelernt haben. Jeder hat von klein auf beigebracht bekommen, dass Geld wertvoll ist. Mit Gold ist es doch genauso. Was ist an Gold schon wertvoll? Mal von Zahnersatz, Kunstwerken und einigen Industrieprodukten abgesehen, ist es doch zu nichts weiter zu gebrauchen!“
Jetzt bemerkt Henry, dass er sich selbst in den Rücken gefallen ist. Instinktiv weiß er es schon immer, aber so richtig hat er nicht gewagt darüber nachzudenken. Erst durch den Druck von David, konnte oder musste er die unsichtbare Grenze überqueren, die sein scheinbar festes Weltbild vom „Geldbild“ umgab.
„Ja du hast recht, David. Geld ist eigentlich wertlos!“, gibt Henry etwas kleinlaut wiederholt zu. Er verliert jetzt immer mehr die Haltung und scheint gerade seine letzte Festung verloren zu haben. „Nein, das stimmt nicht, Henry. Es gibt etwas, was hinter dem Geld steht und wodurch das Geld wertvoll wird!“ „Was meinst du?“ „Du hast es gerade gesagt: Es ist der Glaube an das Geld! Die Menschen glauben, dass Geld oder auch Gold wertvoll sind, obwohl an ihnen überhaupt nichts wirklich wertvolles ist! Der Glaube des Menschen ist es, was die Dinge wertvoll macht!“
Henry überlegt kurz, dann scheint er zu verstehen: „Dann gilt das gleiche für Bilder, Kunstwerke, Antiquitäten, Reliquien und vieles andere auch!“
„Völlig richtig Henry. Du bist halt ein heller Kopf.“ Henry weiß nicht ob David das ernst gemeint hat, oder ob er sich gerade lustig gemacht hat. Vielleicht beides zugleich!
„Ich will dir noch ein anderes Beispiel geben, Henry: Nimm doch mal die Briefmarke „die Blaue Mauritius“. Ihr angeblicher Versicherungswert, so hab ich gehört, liegt bei ca. einer Millionen Dollar. Was ist an einem kleinen, fehlerhaften und bereits abgestempelten Papierschnipsel denn so wertvoll?“
„Die Einzigartigkeit und Seltenheit natürlich!“, verteidigt Henry die Briefmarke. David riss ein Stückchen, in der Größe einer Briefmarke, von seinem Bierdeckel ab und hielt sie Henry vor das Gesicht: „Was unterscheidet die „Blaue Mauritius“ von diesem Schnipsel hier? Auch er ist einzigartig und selten. Du wirst nie wieder einen solchen Schnipsel finden, der genau diese Reißkanten hat!“
Henry starrt den Schnipsel eine Weile an und sagt: „Ich glaube, ich fange an zu verstehen, was du damit sagen willst. Man muss den Menschen nur glauben machen, etwas sei wertvoll und dann ist es auch wertvoll, aber nur deshalb, weil sie es glauben. Der Glaube ist der Wert hinter den Dingen!“ Er macht eine kurze Pause und folgert weiter „Wenn ich das recht bedenke, funktioniert im Prinzip die ganze Börse nach dieser Grundregel! Der Glaube ist es, der den Wert schafft!“ „Richtig, genau das habe ich versucht dir zu vermitteln. Das Wort „Geld“ hängt mit „Geltung / gelten / das, was gilt“ zusammen, und das, was wirkliche Geltung hat, ist der „Glaube des Menschen“!“
Henrys Gesicht entspannt sich. Innerlich hat er gerade kapituliert. Ihm geht seine großartige Bildersammlung durch den Kopf, die er immer ganz stolz all seinen Freunden und Besuchern bei sich zu Hause, als langfristige und sichere Wertanlage, präsentiert hat, denn mit jedem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Künstler stirbt größer.
David nimmt das Gespräch, nach einer kurzen Pause des verstehenden Schweigens, als erster wieder auf: „Wenn ich jetzt ein Heiliger wäre, was glaubst du, ist dann dieser Bierdeckelschnipsel hier wert? Wo doch mein Fingerabdruck darauf ist?“ „Wenn du einen Dummkopf finden würdest, der das glaubt, dann würde er vermutlich einiges dafür zahlen und wir könnten ein riesen Geschäft mit deiner Person machen!“ „Du denkst schon wieder nur ans Geld! Aber grundsätzlich hast du recht. Er würde uns, für den kleinen Schnipsel mit meinem Fingerabdruck, notariell beglaubigt natürlich, einen Berg von ebenso wertlosen Schnipsels, nämlich Geld, geben. Wir verarschen uns also gegenseitig, sind aber beide glücklich. Ein guter Tausch, nicht wahr!“ David grinst und Henry wird immer mehr die Absurdität dieses Spieles, das die Menschheit schon so lange zu spielen scheint, bewusst. „Das ist ja, wie bei Monopoly, ich tausche Zettel gegen Zettel, das ist das ganze Spiel. Doch die Menschen haben sich mittlerweile so sehr verzettelt, dass sie den Zettel nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden können. Den Schein des (Geld)Scheins nicht mehr sehen“, folgert Henry und grinst, weil ihm aufgefallen ist, dass „Schein“ „nur Illusion sein“ bedeutet, aber auch die Abkürzung für Geldschein ist.
„Ist das Zufall“, denkt er sich, „oder ist doch etwas dran, an dem lateinischen Sprichwort „nomen est omen“ („Im Namen liegt die Vorbedeutung“)? Der Geld-schein gilt nur zum Schein.“ „…oder mit Shakespeare gesagt: Der ganze Wahn ums Geld bedeutet im Kern: „Viel Lärm um Nichts!“, ergänzt David.
„Jetzt wird mir auch die Verbindung der Banken zu den Medien und der Politik klar. Im Prinzip weiß ich, dass alle Banken der westlichen Welt miteinander vernetzt sind und dadurch alle unter einer Decke stecken. Sie beherrschen oder kontrollieren direkt und indirekt die Massenmedien aufgrund ihrer Geldmacht und Werbekraft, und die Massenmedien kontrollieren den Glauben der Masse der Bevölkerung, und damit die Wahlen in der Politik, so dass auch die Politik direkt und indirekt gesteuert wird. Die Politik und der jeweilige Staat selbst, sowie der Anzug und die Krawatte des Bankers, wiederum geben dem Geld ein seriöses Äußeres. Dadurch ist gesichert, dass die Menschen glauben, nichts anderes zu hören, als dass Geld wertvoll ist und nie auf den Gedanken kommen zu fragen, was an Geld überhaupt wertvoll ist, oder vielleicht das ganze System in Frage stellen. Die Menschen tauschen ihre eigentlichen Werte, wie Häuser oder ihre Arbeitskraft bei der Bank gegen Geld, also nur bedrucktes Papier oder Zahlen auf dem Kontoauszug ein. Der Banker bekommt die Wertzusicherung des Geldes nur durch das Pfand (z.B. das Haus), was der Schuldner ihm überschreibt. Das Geld entsteht dann aus dem Nichts! Extrem dreist, aber doch irgendwie genial!“ Henry ist von seiner kurzen Zusammenfassung selbst ganz überrascht. Scheint er es doch intuitiv immer gewusst oder geahnt zu haben.
David ergreift wieder das Wort und sagt: „Es ist wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Erst der unwissende kleine Junge spricht aus, dass der Kaiser gar keine Kleider an hat! Die Massenmedien versuchen in der Regel nur zu manipulieren und den Menschen einen vorgegebenen Glauben einzuhämmern (Geld ist das Wichtigste) bzw. Angst zu machen (Vogelgrippe, Terrorismus, Unfälle, Überfälle, etc.), weil die Masse am besten durch die Angst gesteuert werden kann. Sagte ich dir nicht schon vor Jahren, dass Zeitung lesen dumm macht! Du hast dich über diese Ansicht immer lustig gemacht und mich als „netten, aber weltfremden Spinner“ bezeichnet!“ David kann sich diesen letzten kleinen vielleicht etwas überzogenen Seitenhieb nicht verkneifen, weil er weiß wie stolz Henry auf seine Allgemeinbildung ist, die er regelmäßig durch das Studium der verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen aufrecht erhält.
Jetzt langsam ist der Höhepunkt dieser Unterhaltung gekommen und David holt zum letzten Schlag aus: „Und nun zurück zu deiner Frage, Henry.“ „Frage, welche Frage, ich habe keine Fragen mehr, zumindest im Moment will ich gar nichts mehr wissen!“ „Deine Frage am Anfang unseres Gespräches war, ob ich denn bei all meinen Studien überhaupt noch Realist bleiben kann? Um dir diese Frage zu beantworten, musste ich dir all das vorher erklären. Jetzt kannst du selbst entscheiden: Der eine versucht, das, was offensichtlich ist, wenn man seine Augen und seinen Verstand auch wirklich benutzt, zu verstehen, und der andere verstrickt sich in Illusionen und rennt sein leben lang hinter einem Trugbild Namens „Geld“ her, von dem er nie genug bekommen kann und glaubt ohne dies nicht zu überleben! Wer von uns beiden ist nun der größere Realist?“
Henry schweigt eine Minute, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommt und in der sich sein, wie er glaubt, so logisches festes Weltbild, wie ein Luftschloss aufzulösen beginnt. „O.K. Du hast gewonnen. Ich gebe auf. Und was soll ich jetzt machen?“ fragt Henry sichtlich hilflos und resignierend, „99,9 % aller Menschen funktionieren aber nach meinem Glauben von „Geld ist wertvoll und es muss so viel wie möglich davon her“ und „ohne Geld kein Leben“!“, versucht er sich ein letztes mal zu verteidigen.
„Da fällt mir nur ein Zitat ein: Fresst Scheiße, Millionen von Fliegen können sich nicht irren! Oder mit der Bibel etwas vornehmer ausgedrückt: Mt 7,13 „Breit ist der Weg der Masse in die Verderbnis und schmal ist der Weg ins Himmelreich, den nur wenige gehen“ und dazu ergänzend noch Mt 6,24 „Du kannst nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon“!“
Henry ist auf diese direkte Antwort nicht vorbereitet gewesen, fängt sich aber schnell wieder und erwidert: „Du kannst mich jetzt nicht mit einem schlauen Spruch und zwei Bibelzitaten abspeisen. Erst gibst du mir eine Watsche nach der anderen, dann erschütterst bzw. zerstörst du innerhalb von einer Stunde mein ganzes Weltbild, ruinierst nebenbei meine Kunstsammlung und verdirbst mir möglicherweise den Spaß an meiner Arbeit, die mir vorher soviel Vergnügen bereitet hat. Also lass mich jetzt nicht so in der Luft hängen!“
„Es ist alles nicht so schlimm, wie es dir vielleicht im Moment erscheint. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du vergisst und verdrängst, was ich bzw. du dir selbst gerade alles gesagt hast, dann wird im Prinzip alles wieder so sein wie früher, oder du versuchst einfach nur zu verstehen, wie alles funktioniert, ohne etwas zu verurteilen!“ „Wie meinst du das, ich müsste nur verstehen, wie alles funktioniert ohne zu verurteilen und ohne etwas zu unternehmen?“
„Mit „verstehen“ meine ich ein passives Verhalten, kein aktives „Machen müssen“ oder „Handeln müssen“. Aus der Sicht der „Welt der Synthese“ macht Alles Sinn! Kein Mensch ist, von dieser höheren Stufe aus betrachtet, schuldig und müsste bestraft werden. Du hast auch nie etwas „falsch“ gemacht, Henry, das kannst du gar nicht. Du hast dich nur verschiedenen Erfahrungen innerhalb der Polarität hingegeben, über die du das Gefühl von angenehm und unangenehm bekommen hast. Alles ist, von oben gesehen, sehr GUT!“ „Ich verstehe im Moment überhaupt nichts mehr. Jetzt soll wieder alles „sehr gut“ sein. Wo ich doch gerade meine kleine Welt zusammenbrechen sah. Und überhaupt wieso gibt es keinen der „Schuld“ hat und wieso kann ich nichts „Falsches“ machen? Was ist eigentlich noch Realität und was ist Illusion? Bin ich oder du verrückt, David?“
„Beide und keiner! Je nach Standpunkt, von welchem man das Ver-rückt-sein betrachten will!“, grinst David. „Nein, sag lieber gar nichts mehr. Deine Antworten verwirren mich nur noch mehr, als dass sie Klarheit schaffen!“
Henry sieht aus, als würde er sich im nächsten Moment gerne freiwillig in eine psychische Behandlung geben.
David erkennt, dass er vielleicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Es ist schon etwas unfair von ihm, Henry, der nur wenig Hintergrund über die geistigen Zusammenhänge besitzt, mit seinen Erkenntnissen, die sich in all den Jahren langsam entwickelt haben, innerhalb von einer Stunde zu konfrontieren. Schließlich mag er Henry und das Gespräch sollte eigentlich nur zum besten Henrys sein, aber wie es scheint war dieser mehr am Verzweifeln, als vor Glück und Verstehen in die Höhe zu springen. Aber die Ernüchterungs- und Entzugsphasen sind nie angenehm!
Da fällt ihm das Buch ein, was er zufällig heute in seine Tasche gesteckt hat, um vielleicht im Park am Nachmittag noch etwas weiter zulesen. Er kam zwar nicht dazu, aber wie es scheint, hat es doch seinen Sinn gehabt, es einzupacken und mit rumzuschleppen. Er zieht es aus seiner Tasche und überreicht es dem etwas verwirrt dreinschauenden Henry.
„Hier, für dich! Vielleicht hilft es dir ein Stückchen weiter, beim Verstehen, wie die Schöpfung funktioniert!“
„Der Schöpfungsschlüssel“ liest Henry den Titel des Buches laut vor.
„Es wirkt am Anfang etwas trocken und theoretischer, als es in Wirklichkeit ist. Denn hast du den Grundaufbau erst mal verstanden, dann wirst du, dich und deine Welt, sehr viel mehr verstehen können. Viel Spaß dabei!“ faßt David das Buch kurz zusammen.
Henry zögert, ob er noch ein „Geschenk“ von David heute psychisch verkraften kann, doch dann entschloss er sich das Buch dankend einzupacken.
„David, es tut mir leid, aber das ist alles zu viel für mich an einem Abend. Du hast mein ganzes Weltbild zerstört und wie ich jetzt erkenne meinen „Herrn“, das Geld, von seinem Thron geholt. Ich muss das alles erst in Ruhe überdenken.
Ich kann mich jetzt mit dir nicht weiter unterhalten. Es ist schon zu viel. Meine Kapazität ist mehr als überfüllt. Schau mal meine Hand an, sie fängt schon das Zittern an. Das passiert immer, wenn ich zu nervös werde. Entschuldige, aber ich glaube ich muss jetzt gehen. Ich melde mich bei dir wieder, sobald ich unser Gespräch etwas verdaut und eventuell das Buch gelesen habe.
Falls das stimmt, was du mir alles erzählt hast, dann wird sich in meinem Leben etwas ändern müssen. Du hörst von mir!
Dieser Abend geht übrigens auf mich, ich hab der Kellnerin schon bescheid gesagt. Bis bald!…
… Ach und David, auch, wenn ich es im Moment noch gar nicht wirklich wertschätzen kann, vielen Dank für das Gespräch!“
David lächelt ihn liebevoll an und blickt Henry noch nach, bis er hinter der Tür verschwindet, dann lehnt er sich zurück, genießt einen Schluck Wein und schmunzelt, weil er weiß, wie sich Henry jetzt fühlen muss. Ihm erging es früher oft ähnlich. Allerdings hatte er nie so eine heftige Dosis an Erkenntnis in so kurzer Zeit bekommen, wie sie heute Henry bekam.
„Es ist schon hart, wenn es, von jetzt auf gleich, den Anschein hat, dass man den Boden, auf dem man steht, unter sich verliert. Aber je eher der Mensch den Lug und Trug durchschaut, desto besser. Wie heißt es doch so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Er hat jetzt vom Schicksal eine neue Chance bekommen, sich zu öffnen, seine alten Glaubensmuster zu durchbrechen und neues Wissen aufzunehmen, um die GÖTTLICHE Schöpfung ein bisschen mehr zu verstehen.
Vielleicht wird es sie nutzen, vielleicht auch nicht.
Ich bin mal gespannt auf unser nächstes Gespräch!“, denkt sich David im Stillen.
Zwei alte Freunde haben sich in einer kleinen Bar in der Schweiz zu einem kleinen
Abendtrunk verabredet. Sie kennen sich seit ihrem gemeinsamen Abitur und haben sich schon
seit sieben Jahren, nicht mehr gesehen.
Beide sind erfreut einander wiederzusehen und fallen sich herzlichst in die Arme.
Henry hat nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann abgeschlossen, danach
Betriebswirtschaft studiert und ist bei einem größeren Versicherungs- und Bankhaus im
Management beschäftigt. David dagegen hat Religionswissenschaft, Philosophie,
Mathematik, Sprachwissenschaften und Physik studiert, jedoch alle Studiengänge nach dem
zweiten oder dritten Semester wieder abgebrochen und beschlossen zu Hause auf eigene Faust
zu studieren. Er hat viele Reisen zu den entferntesten Orten gemacht und mit den
verschiedensten Leuten gesprochen, war immer ein guter Schüler und wissbegierig zu
erfahren und zu verstehen, nach welchen Mustern, Gesetzen und Regeln die Schöpfung
funktioniert. Nicht nur die Regeln der Materie, sondern vor allem auch die Regeln und
Gesetze des Geistes interessierten ihn sehr.
Nach der Begrüßung und dem Bestellen der Getränke beginnt das nun folgende Gespräch
zwischen den ehemals gleichen Freunden.
(Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als unsichtbarer Dritter mit am Tisch und hören jetzt aufmerksam dieses
Gespräch mit!)
„Sag mal David, was willst du eigentlich mit deinem Studium erreichen?“
„Ich will eigentlich nur verstehen, wie die Schöpfung funktioniert. Ich habe keine Ziele, auf
die ich hinarbeite.“ „Aber von irgendwas musst du doch leben können, wenn du mal älter
bist.“ „Ich lebe eigentlich ganz gut. Schon seit ich mit meinen eigenen Reisen und Studien
begonnen habe, fehlte es mir an nichts. Es war und ist immer alles im Überfluss vorhanden.“
„Aber wer zahlt denn die Reisen und deine Verpflegung? Woher kommt denn das Geld für
all deine Bücher und Kleidung?“ „Das ergibt sich so. Entweder werde ich eingeladen oder ich
bekomme eine Gelegenheit mir etwas zu verdienen. Meist ist aber irgendein „Wunder“ im
Spiel. Es geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat.“ „Du versuchst mir auszuweichen.
Kein Mensch kann ohne Geld existieren, zumindest nicht menschenwürdig leben. Geld regiert
nun mal die Welt, da kommt keiner vorbei und jeder der es versucht, wird irgendwann auf der
Straße landen und von der Sozialhilfe, das heißt auf Kosten der Gesellschaft, leben. Und
solche Schmarotzer sind mir wirklich zu wider! Zu faul eigenes Geld zu verdienen und dafür
bei anderen zu saugen, wie die Zecke am Hals. Nein, so was verabscheue ich zutiefst.“ Henry
verzog eine so verachtenswürdige Mine, dass jeder, nur allein beim Gedanken an Sozialhilfe,
sich schämen musste.„Ich kann dich beruhigen“, sagt David, „Ich lebe nicht von Sozialhilfe.
Du kannst also ruhig mit mir weiterreden!“ „Na ja, das hätte ich von dir auch nicht erwartet.“
Henry lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Rotweinglas.
„Sag mal David“, bohrt Henry weiter, „kann man denn bei all deinen Studien überhaupt noch
Realist bleiben?“ „Wie meist du das?“, fragt David. „Nun ja, ich meine, bei all deinen
geistigen Spinnereien, … ich meine Ansichten, kann man da noch auf dem Boden der
Tatsachen bleiben? Ich meine, ob man da nicht sehr schnell abhebt, bei dieser „nach Gott
Suche“ und so? Glaubst du denn an Gott, ich meine so richtig?“ Henry verzog wieder das
Gesicht, nur diesmal eher etwas mitleidig.
„Was soll ich dir sagen, Henry. Es wird schwierig für mich dir meinen Standpunkt zu
vermitteln, der auf all meinen Erfahrungen und all meinem Wissen beruht, aber trotzdem will
ich es versuchen. Weißt du, was „Polarität“ ist?“ „Äh na ja, … schon irgendwie. Das
bedeutet doch, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt, also immer zwei Seiten einer
Medaille, oder?“ „Ja, so ähnlich. Eine Polarität zeichnet sich dadurch aus, dass die eine Seite
immer mit der anderen untrennbar, gleichzeitig auftreten muss, obwohl sie sich eigentlich
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vom Grunde her beide widersprechen. Du kannst aber immer nur eine Seite wahrnehmen,
während die andere Seite parallel verborgen ist. Wenn du „Krieg“ in deinem Bewusstsein
hast, dann ist der „Frieden“ die Gegenseite, die unsichtbar im Hintergrund den Kontrast
bildet. Ohne einen Kontrast oder Unterschied kannst du nichts wahrnehmen. Alles, was du
wahrnimmst ist letztendlich polar aufgebaut. Jede Farbe hat ihre Komplementärfarbe und
erst im Hintergrund von der einen kannst du die anderen sehen. Du kannst das Prinzip noch
schön beim Photographieren mit einem Photofilm sehen. Es gibt immer ein Dianegativ und
ein Diapositiv, die zusammen reines, weißes, unsichtbares Licht ergeben. Zu „links“ gehört
„rechts“, zu „warm“ gehört „kalt“, zu „hell“ gehört „dunkel“ und zu der „Stille“ gehört das
„Geräusch“. Jeweils zwischen der Polarität entstehen unendlich viele „Zwischenstufen“, die
von einem extremen Pol zum anderen führen. Schön erkennen, kannst du es an dem polaren
Beispiel der Farben von „Schwarz“ und „Weiß“, denn es liegen unendlich viele „Grautöne“
dazwischen.“
David macht eine kurze Pause, um das gerade gesagte bei Henry wirken zu lassen, bis er dann
fortfährt: „Etwas allgemeiner formuliert, würde es bedeuten, dass aus der Polarität die
unendliche Vielfalt resultiert und jede Position innerhalb der Polarität eine mögliche
Sichtweise darstellt!
Wenn du ein bisschen darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass du alles nur
aufgrund eines Gegensatzes wahrnehmen kannst. Selbst dieses Glas hier kann nur
existieren, weil es, etwas abstrakt formuliert, einen Hintergrund gibt, der „Nicht-Glas“ ist.
Kannst du mir soweit folgen?“
„Hm. Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt. Das müsste ich mir erst mal durch den Kopf
gehen lassen, aber es scheint so zu sein! Ich glaube, ich hab schon mal was darüber in einem
Managertraining gehört.“ „Gut, hat dein Studium zumindest eine kleine Frucht
hervorgebracht!“ „Wie meinst du das?“, fragt Henry etwas irritiert und erstaunt über so eine
spitzfindige Bemerkung. „Das sage ich dir am Ende. Lass mich erst mal weiter erklären. Du
willst doch eine Antwort auf deine Fragen haben, oder nicht?“ „Ja natürlich irgendwie schon,
also fahre fort, aber heb jetzt nicht ab.“ „Nein, keine Angst. Ich bin mehr Realist, als du
glaubst. Und ich behaupte sogar, dass ich ein weitaus größerer Realist bin, als du!“
Henrys Gesichtsmimik verrät etwas Irritation, denn so ein ausführliches Gespräch auf seine
doch eher flapsige Bemerkung über Davids Studium hat er nicht erwartet. Aber David erklärt
weiter: „Also, jetzt zurück zu unserer Polarität. Ein weiteres wichtiges Kriterium der Polarität
ist die Synthese. Jede Polarität hat nämlich auf einer höheren Stufe eine Synthese, die
jeweils beide Pole gleichzeitig enthält und einen höheren Komplex bildet. Ich will dir ein paar
Beispiele geben, die zwar selbst noch polar sind, aber schon das Prinzip der Synthese
verdeutlichen können: Die Münze: sie hat zwei Seiten und beide Seiten benötigen einander als
Kontrast (Kopf und Zahl), wobei sie beide gleichzeitig in der höheren Synthese, der Münze,
aufgehen. Genauso ist es mit dem mathematischen Kegel. Er ist auf einer zweidimensionalen
unteren Ebene entweder „Kreis“ oder „Dreieck“, in Wirklichkeit aber „Kreis und Dreieck“.
Ein anderes Beispiel ist die „Wurst“ mit ihren beiden Enden, oder noch besser ist das „Tai
Chi“ ☯ Symbol, als Beispiel für die Synthese und die zwei Hälften, weiß und schwarz, als
die symbolischen zwei Seiten der Polarität.
Man kann in einer Polarität nie die eine Seite von der anderen Seite trennen. Beide
gehören immer zusammen und gehen in der höheren Synthese harmonisch auf. Hast du
das soweit verstanden, Henry?“ „Ja, ich denke schon!“ „Gut. Dann frage ich dich, was ist die
Synthese aus „Krieg und Frieden“, oder „links und rechts“, oder „warm und kalt“, oder „blau
und orange“?
Darauf ist Henry jetzt nicht vorbereitet gewesen. Er überlegt kurz und sagt: „Äh, Moment …
ich weiß es nicht! Sag es mir!“ „Du kannst dir die Synthese weder denken noch
vorstellen! Aber du kannst mit deinem logischen Verstand bis zu der Grenze kommen, dass
du 100 %ig sicher sagen kannst, dass es eine Synthese geben muss. Du kannst sie aber nicht
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denken, da dein Denken und dein Vorstellen polar aufgebaut sind und du immer nur eine
Seite der Polarität z.B. „warm“ denken kannst, während immer gleichzeitig im Hintergrund
unsichtbar „kalt“ verborgen ist. Die Synthese ist für dich nicht wahrnehmbar!“
„Das würde bedeuten, wenn alles polar aufgebaut ist, und dass muss ich erst noch überprüfen,
dann gibt es eine Art höhere Wirklichkeit, eine Überwelt, eine Welt der Synthese, die jenseits
unserer Vorstellung und unseres Denkens liegen muss. Ist es das, was du mir damit sagen
willst?“ Henrys Ausdruck erhell sich und er beginnt Davids Ausführungen interessant zu
finden. „Gut mitgedacht. Genauso ist es! Und diese Synthese aller Synthesen nennen die
Religionen GOTT, Allah, JHWH, Krishna, Trinität, Heiliger Geist, Tao, usw.
Du kannst jetzt vielleicht auch nachvollziehen, wie albern es ist sich über GOTT zu streiten,
da man die höchste Synthese in seine kleingeistigen, polaren Denkmuster pressen möchte.
Das funktioniert nicht. Daher auch all die Meinungsverschiedenheiten über GOTT. Jeder hat
seine polare Sicht von GOTT und in Wirklichkeit ist GOTT alle Sichtweisen gleichzeitig und
noch viel mehr. So wie unser symbolischer Kegel eine Vielzahl an zweidimensionalen
Kreisen Parabeln, Hyperbeln und sogar Dreiecken (alles Querschnitte durch den Kegel), darstellt,
aber gleichzeitig ein ganzer höherer dreidimensionaler Körper ist.“
„Wenn das stimmt, was du mir erzählst und das muss ich erst noch überprüfen, dann wäre
alles, was ich wahrnehme, mein Denken und Vorstellen, nur eine Illusion im Vergleich
zur eigentlichen Wirklichkeit, der Synthese?“, schlussfolgert Henry nach einer kurzen
Ruhepause. „Sehr gut kombiniert. Ich hätte es nicht besser formulieren können. Du warst
zurecht in der Schule immer der bessere Schüler von uns zwei“, schmeichelt David.
„Um dir vielleicht noch eine bessere fühlbare Vorstellung von der „Illusionswelt – Polarität“
und der „Wirklichkeitswelt - Synthese“ zu geben, ist der Traum ein schönes, für dich
nachvollziehbares Symbol. Wenn du heute Nacht einschläfst und träumst, dass du
meinetwegen auf einem riesigen Berg Geld sitzt, dann ist dieser Zustand für dich im Traum
erst mal Realität, vorausgesetzt, du weißt nicht, dass du träumst!“ „Ja, stimmt, wobei mir
lieber wäre, dass es kein Traum ist,“ Henry bringt ein kleines Lächeln über seine ansonsten
etwas steifen Lippen. „Wenn du dann morgens wieder wach geworden bist, dann weißt du,
dass es nur ein Traum war, der zwar allen Anschein von Wirklichkeit hatte, aber letztendlich
doch nur ein Traum war. Du weißt jetzt, dass das Geld, du selbst und der Raum in dem ihr
euch befunden habt, nur Illusion waren. Kannst du dir das Gefühl gegenüber dieser
Traumwelt im Verhältnis zu deiner Wirklichkeit bewusst machen?“
„Ja, es ist zwar schade, dass das ganze Geld nur Illusion war, aber natürlich weiß ich, wovon
du redest. Ich kann das Gefühl der Irrealität und Illusion gegenüber einem Traum in der Nacht
in mir finden und ich ahne, was du mir damit sagen willst: Die „Welt der Synthese“ verhält
sich zur „Welt der Polarität“, also diese meine Vorstellungswelt, wie du sie nennst, wie „die
Welt der Polarität“ zum „Traum“! Das erinnert mich, nebenbei bemerkt, ein wenig an den
„Goldenen Schnitt“ verbunden mit dem Film „Matrix“.“ Henry hat versucht einen Scherz zu
machen, doch merkt er, dass David nicht lacht, sondern seine Verbindung von Mathematik
und Hollywood sehr ernst aufnimmt.
„Sehr gut kombiniert, Henry. Du bist ein cleveres Kerlchen. Ich habe für diese Erkenntnis viel
länger gebraucht. Aber genau das wollte ich dir sagen. Ich wollte dir ein Gefühl der Illusion
und Relativität deiner Welt geben und dir somit eine Vorstellung vermitteln, wie sich eine
höhere Stufe zu einer Niedrigeren verhält, indem ich dir eine noch niedrigere Stufe als
Verhältnisbeispiel geben, die du mit deinem Wissen fassen kannst. Arithmetisch betrachtet
liegt zwischen 7 und 8 genauso viel, wie zwischen 6 und 7, nämlich genau „1“. Wobei „6“
unser Traum ist, „7“ ist die „Welt der Polarität“, also das, was du jetzt erlebst und „8“ ist die
„Welt der Synthese“, die höhere Wirklichkeit.
Wenn du auf „7“ stehst kannst du „8“ zwar noch nicht wirklich fassen, du kannst in dir aber
ein Gefühl für diese höhere Wirklichkeit hervorrufen, wenn du dir „6“ anschaust.“
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„Mir dämmert langsam wohin das führt und ich muss sagen, dass mir mulmig zumute wird.“
Henry blickt im Raum umher, schaut sich die Menschen, die Möbel, sowie die Bar an und
spricht nachdenklich: „Dann wäre ja nichts, was uns umgibt absolute Wirklichkeit! Das würde
doch komplett die Spannung aus allem nehmen!“ „Stimmt und stimmt nicht! Es ist genauso
viel Wirklichkeit, wie in deinem Traum. Alles ist wirklich da! Fass doch das Glas an. Es ist
doch alles „echt“ und erfahrbar. Werde jetzt bloß nicht unrealistisch, Henry!“
David kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, ergänzt aber gleich, „wenn du dir einen
Film auf DVD anschaust, weißt du doch auch indirekt, dass die höhere Wirklichkeit nur aus
einem Zahlencode auf der DVD besteht und das schmälert doch auch nicht dein Vergnügen
am Film. Es hilft dir höchstens ruhig zu bleiben, wenn es zu spannend oder zu brutal wird, da
du dir ja in Erinnerung rufen kannst, dass es nur ein Film und nicht wirklich echt ist.“
„Ja. Das stimmt. So gesehen ist es eigentlich eine ziemlich große Hilfe. Wenn ich dieses
Wissen in meinem Alltag parat hätte. Ich hätte einige graue Haare und einige Sorgenfalten
weniger und wahrscheinlich hätte ich auch kein Magengeschwür bekommen.
Aber ich weiß noch nicht sicher, ob das auch alles stimmt, was du mir da erzählst. Das klingt
alles viel zu einfach, um wahr zu sein!“ „Warum machst du es denn so kompliziert? Vielleicht
ist alles viel einfacher als du es dir vorstellst? Vielleicht denkst du nur zu kompliziert und
siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht!“
„Ich will dir jetzt nicht unbedingt widersprechen, nach alledem, was du mir gerade gesagt
hast. Es kann durchaus sein, dass ich irgendwie doch nicht so einen großen Plan hatte, wie ich
es annahm. Aber ich muss das alles erst mal überdenken und verdauen.
Außerdem glaub ich, brauch ich eine kurze Pause. Ich geh mal auf die Toilette. Bin gleich
wieder da!“
Henry ist einer der besten Absolventen auf der Uni gewesen. Er hat sein BWL Studium mit
„summa cum laude“ abgeschlossen und auf dem Finanzmarkt ist er ein angesagter Manager.
Er kann sehr schnell Zusammenhänge erfassen, wenn er sich intensiver mit ihnen beschäftigt,
aber er will grundsätzlich auch nur das annehmen, was er verstehen und nachvollziehen kann.
David denkt sich mit einer liebevollen, fast väterlichen inneren Stimme: „Dies, lieber Henry,
war der erste Streich und der zweite folgt möglicherweise zugleich, nachdem du deine kleine
Auszeit auf der Toilette beendet hast.“
Henry kommt wieder und man kann sehen, dass er sich wohl das Gesicht mit Wasser
abgewaschen hat. Seine Haarspitzen sind noch ganz nass und die Augen leicht rot vom
Reiben mit den Händen.
Er hat vorher noch zwei Gläser Rotwein bestellt, bevor er sich wieder auf seinen Platz setzt.
Henry schaut David an, wie ein etwas eingeschüchtertes Kind seinen Lehrer anschaut, mit
der etwas ängstlichen Frage im Gesicht „…und was kommt jetzt als nächstes?“
„Lass uns jetzt über dich sprechen, Henry. Wie sieht es eigentlich mit Geld aus?“ David kann
sehen, wie in Henry das kraftvolle Leben zurückkehrt und aus dem Schüler schnell wieder der
Meister wird, denn hierin kennt er sich nun wirklich aus. Er weiss so ziemlich alles über Geld.
Er kennt alle wichtigen Fonds, Anlagen, Kapitalbeteiligungen, sowie die Finanzlagen der
größten Firmen und Länder. Er hätte ohne Probleme aus dem Stegreif David, einen der besten
Vorträge über „Die besten Renditen weltweit“ halten können.
Jetzt ist es an ihm, David aufzuklären, denn David hat ja offensichtlich keine Ahnung von
Geld. Sein Körper erhebt sich und mit fester selbstsicherer Stimme fragt er: „Aber gern,
David, was möchtest du wissen? Es freut mich, wenn auch ich dir etwas beibringen kann,
auch wenn das Geld in die „Welt der Polaritäten“ fallen sollte, ist es ja durchaus mit das
Wichtigste in dieser Welt!“ „So, so, „das Wichtigste dieser Welt“, dann sag mir doch mal,
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was an Geld so wichtig, oder besser noch, so wertvoll ist? Du glaubst doch, dass Geld
wertvoll ist, oder Henry?“ „Aber natürlich, was für eine Frage! Das Geld ist das „Blut der
Wirtschaft“, wie wir Banker sagen…“ , „… und die Banker sind dann die Blutsauger…“
scherzt David. Henry stutz, fängt sich aber schnell wieder „Nein … äh ja, ich meine, wenn du
es so auslegen möchtest. Mir gefällt „Blutbank“ besser. Sie hilft, sozusagen als Retter in der
Not, wenn mal ein Unternehmen etwas Knapp an Blut bzw. Geld ist. Aber du hast mich
unterbrochen. Ich wollte sagen, dass das Geld das Blut der Wirtschaft ist und die Wirtschaft
bestimmt das Wohlergehen einer Gesellschaft. Geht es der Wirtschaft gut, geht es den
Menschen gut. Dann kann das Gesundheitssystem stabilisiert werden, die Bildung gefördert
werden, die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden usw. und das alles hängt vom
jeweiligen Geldbeutel, oder besser gesagt von der Finanzkraft des Landes ab! Ohne Geld
keinen Wohlstand! So einfach ist das!“
„Ist es das wirklich? Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Du bist ihr nur
ausgewichen!“ „Wie ausgewichen? Wieso? Welcher Frage bitte noch mal?“ „Was an Geld
wertvoll ist?“ „Geld an sich hat keinen Wert, wenn du das meinst. Das Material oder die
Zahlen auf dem Konto haben nichts mit dem eigentlichen Wert zu tun. Geld hat einen
Tauschwert. Du kannst für Geld andere Waren bekommen, ohne andere Waren eintauschen
zu müssen. Geld ist viel handlicher und praktischer, als mit einem Sackkarren voller Waren
rumzulaufen und zufällig jemanden zu finden, der das braucht, was ich habe, und der zufällig
auch das hat, was ich brauche!“
„Das bestreitet auch niemand“, David lässt nicht locker, „du sollst mir nur verraten warum
jeder glaubt, dass Geld wertvoll ist, wenn doch gar nichts wertvolles an Geld ist!“
Henry überlegt kurz, dann versucht er David den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ah, jetzt
weiß ich worauf du anspielst. Du spielst auf die Tatsache an, dass das heutige Geld schon
lange keine Golddeckung mehr hat. Es wird von den Banken, besonders in den westlichen
Ländern, im Prinzip aus dem Nichts erschaffen. Wir nennen das „Fiat Money“, die
Bezeichnung stammt aus der Bibel von „Fiat Lux“ (Es werde Licht) glaube ich. Mit „Es
werde Geld“ ist gemeint, dass das Geld einfach aus dem Nichts generiert wird. Ich weiß, dass
private Banken das Geld für die Staaten und Regierungen drucken bzw. mittels Tastatur in
einen Computer eingeben und es an sie gegen Zinsen verleihen. Na und…? Natürlich ist das
im Prinzip die größte Verarsche, die die Welt je gesehen hat, aber…!“ „Henry“, unterbricht
ihn David „Du brauchst mir hier nichts zu beichten. Ich hab kein Problem damit. Ich weiß das
alles. Aber was ist mit meiner Frage? Was ist an Geld wertvoll?“
„NICHTS, gar nichts ist an Geld wertvoll. Es ist bedrucktes Papier oder Zahlen auf einem
Konto, die rein imaginär sind. Es hat selbst keine Wertsubstanz! Ist es dass, was du wissen
willst!“ „Und warum will es dann jeder haben, Henry?“ „Weil wir es schon immer so gelernt
haben. Jeder hat von klein auf beigebracht bekommen, dass Geld wertvoll ist. Mit Gold ist es
doch genauso. Was ist an Gold schon wertvoll? Mal von Zahnersatz, Kunstwerken und
einigen Industrieprodukten abgesehen, ist es doch zu nichts weiter zu gebrauchen!“
Jetzt bemerkt Henry, dass er sich selbst in den Rücken gefallen ist. Instinktiv weiß er es schon
immer, aber so richtig hat er nicht gewagt darüber nachzudenken. Erst durch den Druck von
David, konnte oder musste er die unsichtbare Grenze überqueren, die sein scheinbar festes
Weltbild vom „Geldbild“ umgab.
„Ja du hast recht, David. Geld ist eigentlich wertlos!“, gibt Henry etwas kleinlaut wiederholt
zu. Er verliert jetzt immer mehr die Haltung und scheint gerade seine letzte Festung verloren
zu haben. „Nein, das stimmt nicht, Henry. Es gibt etwas, was hinter dem Geld steht und
wodurch das Geld wertvoll wird!“ „Was meinst du?“ „Du hast es gerade gesagt: Es ist der
Glaube an das Geld! Die Menschen glauben, dass Geld oder auch Gold wertvoll sind,
obwohl an ihnen überhaupt nichts wirklich wertvolles ist! Der Glaube des Menschen ist
es, was die Dinge wertvoll macht!“
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Henry überlegt kurz, dann scheint er zu verstehen: „Dann gilt das gleiche für Bilder,
Kunstwerke, Antiquitäten, Reliquien und vieles andere auch!“
„Völlig richtig Henry. Du bist halt ein heller Kopf.“ Henry weiß nicht ob David das ernst
gemeint hat, oder ob er sich gerade lustig gemacht hat. Vielleicht beides zugleich!
„Ich will dir noch ein anderes Beispiel geben, Henry: Nimm doch mal die Briefmarke „die
Blaue Mauritius“. Ihr angeblicher Versicherungswert, so hab ich gehört, liegt bei ca. einer
Millionen Dollar. Was ist an einem kleinen, fehlerhaften und bereits abgestempelten
Papierschnipsel denn so wertvoll?“
„Die Einzigartigkeit und Seltenheit natürlich!“, verteidigt Henry die Briefmarke. David riss
ein Stückchen, in der Größe einer Briefmarke, von seinem Bierdeckel ab und hielt sie Henry
vor das Gesicht: „Was unterscheidet die „Blaue Mauritius“ von diesem Schnipsel hier? Auch
er ist einzigartig und selten. Du wirst nie wieder einen solchen Schnipsel finden, der genau
diese Reißkanten hat!“
Henry starrt den Schnipsel eine Weile an und sagt: „Ich glaube, ich fange an zu verstehen,
was du damit sagen willst. Man muss den Menschen nur glauben machen, etwas sei wertvoll
und dann ist es auch wertvoll, aber nur deshalb, weil sie es glauben. Der Glaube ist der Wert
hinter den Dingen!“ Er macht eine kurze Pause und folgert weiter „Wenn ich das recht
bedenke, funktioniert im Prinzip die ganze Börse nach dieser Grundregel! Der Glaube ist es,
der den Wert schafft!“ „Richtig, genau das habe ich versucht dir zu vermitteln. Das Wort
„Geld“ hängt mit „Geltung / gelten / das, was gilt“ zusammen, und das, was wirkliche
Geltung hat, ist der „Glaube des Menschen“!“
Henrys Gesicht entspannt sich. Innerlich hat er gerade kapituliert. Ihm geht seine großartige
Bildersammlung durch den Kopf, die er immer ganz stolz all seinen Freunden und Besuchern
bei sich zu Hause, als langfristige und sichere Wertanlage, präsentiert hat, denn mit jedem
Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Künstler stirbt größer.
David nimmt das Gespräch, nach einer kurzen Pause des verstehenden Schweigens, als erster
wieder auf: „Wenn ich jetzt ein Heiliger wäre, was glaubst du, ist dann dieser
Bierdeckelschnipsel hier wert? Wo doch mein Fingerabdruck darauf ist?“ „Wenn du einen
Dummkopf finden würdest, der das glaubt, dann würde er vermutlich einiges dafür zahlen und
wir könnten ein riesen Geschäft mit deiner Person machen!“ „Du denkst schon wieder nur ans
Geld! Aber grundsätzlich hast du recht. Er würde uns, für den kleinen Schnipsel mit meinem
Fingerabdruck, notariell beglaubigt natürlich, einen Berg von ebenso wertlosen Schnipsels,
nämlich Geld, geben. Wir verarschen uns also gegenseitig, sind aber beide glücklich. Ein
guter Tausch, nicht wahr!“ David grinst und Henry wird immer mehr die Absurdität dieses
Spieles, das die Menschheit schon so lange zu spielen scheint, bewusst. „Das ist ja, wie bei
Monopoly, ich tausche Zettel gegen Zettel, das ist das ganze Spiel. Doch die Menschen haben
sich mittlerweile so sehr verzettelt, dass sie den Zettel nicht mehr von der Wirklichkeit
unterscheiden können. Den Schein des (Geld)Scheins nicht mehr sehen“, folgert Henry und
grinst, weil ihm aufgefallen ist, dass „Schein“ „nur Illusion sein“ bedeutet, aber auch die
Abkürzung für Geldschein ist.
„Ist das Zufall“, denkt er sich, „oder ist doch etwas dran, an dem lateinischen Sprichwort
„nomen est omen“ („Im Namen liegt die Vorbedeutung“)? Der Geld-schein gilt nur zum Schein.“
„…oder mit Shakespeare gesagt: Der ganze Wahn ums Geld bedeutet im Kern: „Viel Lärm
um Nichts!“, ergänzt David.
„Jetzt wird mir auch die Verbindung der Banken zu den Medien und der Politik klar. Im
Prinzip weiß ich, dass alle Banken der westlichen Welt miteinander vernetzt sind und dadurch
alle unter einer Decke stecken. Sie beherrschen oder kontrollieren direkt und indirekt die
Massenmedien aufgrund ihrer Geldmacht und Werbekraft, und die Massenmedien
kontrollieren den Glauben der Masse der Bevölkerung, und damit die Wahlen in der Politik,
so dass auch die Politik direkt und indirekt gesteuert wird. Die Politik und der jeweilige Staat
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selbst, sowie der Anzug und die Krawatte des Bankers, wiederum geben dem Geld ein
seriöses Äußeres. Dadurch ist gesichert, dass die Menschen glauben, nichts anderes zu hören,
als dass Geld wertvoll ist und nie auf den Gedanken kommen zu fragen, was an Geld
überhaupt wertvoll ist, oder vielleicht das ganze System in Frage stellen. Die Menschen
tauschen ihre eigentlichen Werte, wie Häuser oder ihre Arbeitskraft bei der Bank gegen
Geld, also nur bedrucktes Papier oder Zahlen auf dem Kontoauszug ein. Der Banker
bekommt die Wertzusicherung des Geldes nur durch das Pfand (z.B. das Haus), was der
Schuldner ihm überschreibt. Das Geld entsteht dann aus dem Nichts! Extrem dreist, aber doch
irgendwie genial!“ Henry ist von seiner kurzen Zusammenfassung selbst ganz überrascht.
Scheint er es doch intuitiv immer gewusst oder geahnt zu haben.
David ergreift wieder das Wort und sagt: „Es ist wie in dem Märchen „Des Kaisers neue
Kleider“. Erst der unwissende kleine Junge spricht aus, dass der Kaiser gar keine Kleider an
hat! Die Massenmedien versuchen in der Regel nur zu manipulieren und den Menschen einen
vorgegebenen Glauben einzuhämmern (Geld ist das Wichtigste) bzw. Angst zu machen
(Vogelgrippe, Terrorismus, Unfälle, Überfälle, etc.), weil die Masse am besten durch die Angst
gesteuert werden kann. Sagte ich dir nicht schon vor Jahren, dass Zeitung lesen dumm macht!
Du hast dich über diese Ansicht immer lustig gemacht und mich als „netten, aber weltfremden
Spinner“ bezeichnet!“ David kann sich diesen letzten kleinen vielleicht etwas überzogenen
Seitenhieb nicht verkneifen, weil er weiß wie stolz Henry auf seine Allgemeinbildung ist, die
er regelmäßig durch das Studium der verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen aufrecht
erhält.
Jetzt langsam ist der Höhepunkt dieser Unterhaltung gekommen und David holt zum letzten
Schlag aus: „Und nun zurück zu deiner Frage, Henry.“ „Frage, welche Frage, ich habe keine
Fragen mehr, zumindest im Moment will ich gar nichts mehr wissen!“ „Deine Frage am
Anfang unseres Gespräches war, ob ich denn bei all meinen Studien überhaupt noch Realist
bleiben kann? Um dir diese Frage zu beantworten, musste ich dir all das vorher erklären.
Jetzt kannst du selbst entscheiden: Der eine versucht, das, was offensichtlich ist, wenn man
seine Augen und seinen Verstand auch wirklich benutzt, zu verstehen, und der andere
verstrickt sich in Illusionen und rennt sein leben lang hinter einem Trugbild Namens „Geld“
her, von dem er nie genug bekommen kann und glaubt ohne dies nicht zu überleben! Wer von
uns beiden ist nun der größere Realist?“
Henry schweigt eine Minute, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommt und in der sich sein, wie er
glaubt, so logisches festes Weltbild, wie ein Luftschloss aufzulösen beginnt.
„O.K. Du hast gewonnen. Ich gebe auf. Und was soll ich jetzt machen?“ fragt Henry sichtlich
hilflos und resignierend, „99,9 % aller Menschen funktionieren aber nach meinem Glauben
von „Geld ist wertvoll und es muss so viel wie möglich davon her“ und „ohne Geld kein
Leben“!“, versucht er sich ein letztes mal zu verteidigen.
„Da fällt mir nur ein Zitat ein: Fresst Scheiße, Millionen von Fliegen können sich nicht irren!
Oder mit der Bibel etwas vornehmer ausgedrückt: Mt 7,13 „Breit ist der Weg der Masse in die
Verderbnis und schmal ist der Weg ins Himmelreich, den nur wenige gehen“ und dazu
ergänzend noch Mt 6,24 „Du kannst nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon“!“
Henry ist auf diese direkte Antwort nicht vorbereitet gewesen, fängt sich aber schnell wieder
und erwidert: „Du kannst mich jetzt nicht mit einem schlauen Spruch und zwei Bibelzitaten
abspeisen. Erst gibst du mir eine Watsche nach der anderen, dann erschütterst bzw. zerstörst
du innerhalb von einer Stunde mein ganzes Weltbild, ruinierst nebenbei meine
Kunstsammlung und verdirbst mir möglicherweise den Spaß an meiner Arbeit, die mir vorher
soviel Vergnügen bereitet hat. Also lass mich jetzt nicht so in der Luft hängen!“
„Es ist alles nicht so schlimm, wie es dir vielleicht im Moment erscheint.
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Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du vergisst und verdrängst, was ich bzw. du dir selbst
gerade alles gesagt hast, dann wird im Prinzip alles wieder so sein wie früher, oder du
versuchst einfach nur zu verstehen, wie alles funktioniert, ohne etwas zu verurteilen!“
„Wie meinst du das, ich müsste nur verstehen, wie alles funktioniert ohne zu verurteilen und
ohne etwas zu unternehmen?“
„Mit „verstehen“ meine ich ein passives Verhalten, kein aktives „Machen müssen“ oder
„Handeln müssen“. Aus der Sicht der „Welt der Synthese“ macht Alles Sinn! Kein Mensch
ist, von dieser höheren Stufe aus betrachtet, schuldig und müsste bestraft werden. Du hast
auch nie etwas „falsch“ gemacht, Henry, das kannst du gar nicht. Du hast dich nur
verschiedenen Erfahrungen innerhalb der Polarität hingegeben, über die du das Gefühl von
angenehm und unangenehm bekommen hast. Alles ist, von oben gesehen, sehr GUT!“
„Ich verstehe im Moment überhaupt nichts mehr. Jetzt soll wieder alles „sehr gut“ sein. Wo
ich doch gerade meine kleine Welt zusammenbrechen sah. Und überhaupt wieso gibt es
keinen der „Schuld“ hat und wieso kann ich nichts „Falsches“ machen? Was ist eigentlich
noch Realität und was ist Illusion? Bin ich oder du verrückt, David?“
„Beide und keiner! Je nach Standpunkt, von welchem man das Ver-rückt-sein betrachten
will!“, grinst David. „Nein, sag lieber gar nichts mehr. Deine Antworten verwirren mich nur
noch mehr, als dass sie Klarheit schaffen!“
Henry sieht aus, als würde er sich im nächsten Moment gerne freiwillig in eine psychische
Behandlung geben.
David erkennt, dass er vielleicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Es ist schon etwas unfair
von ihm, Henry, der nur wenig Hintergrund über die geistigen Zusammenhänge besitzt, mit
seinen Erkenntnissen, die sich in all den Jahren langsam entwickelt haben, innerhalb von einer
Stunde zu konfrontieren. Schließlich mag er Henry und das Gespräch sollte eigentlich nur
zum besten Henrys sein, aber wie es scheint war dieser mehr am Verzweifeln, als vor Glück
und Verstehen in die Höhe zu springen. Aber die Ernüchterungs- und Entzugsphasen sind nie
angenehm!
Da fällt ihm das Buch ein, was er zufällig heute in seine Tasche gesteckt hat, um vielleicht im
Park am Nachmittag noch etwas weiter zulesen. Er kam zwar nicht dazu, aber wie es scheint,
hat es doch seinen Sinn gehabt, es einzupacken und mit rumzuschleppen. Er zieht es aus
seiner Tasche und überreicht es dem etwas verwirrt dreinschauenden Henry.
„Hier, für dich! Vielleicht hilft es dir ein Stückchen weiter, beim Verstehen, wie die
Schöpfung funktioniert!“
„Der Schöpfungsschlüssel“ liest Henry den Titel des Buches laut vor.
„Es wirkt am Anfang etwas trocken und theoretischer, als es in Wirklichkeit ist. Denn hast du
den Grundaufbau erst mal verstanden, dann wirst du, dich und deine Welt, sehr viel mehr
verstehen können. Viel Spaß dabei!“ faßt David das Buch kurz zusammen.
Henry zögert, ob er noch ein „Geschenk“ von David heute psychisch verkraften kann, doch
dann entschloss er sich das Buch dankend einzupacken.
„David, es tut mir leid, aber das ist alles zu viel für mich an einem Abend. Du hast mein
ganzes Weltbild zerstört und wie ich jetzt erkenne meinen „Herrn“, das Geld, von seinem
Thron geholt. Ich muss das alles erst in Ruhe überdenken.
Ich kann mich jetzt mit dir nicht weiter unterhalten. Es ist schon zu viel. Meine Kapazität ist
mehr als überfüllt. Schau mal meine Hand an, sie fängt schon das Zittern an. Das passiert
immer, wenn ich zu nervös werde. Entschuldige, aber ich glaube ich muss jetzt gehen.
Ich melde mich bei dir wieder, sobald ich unser Gespräch etwas verdaut und eventuell das
Buch gelesen habe.
Falls das stimmt, was du mir alles erzählt hast, dann wird sich in meinem Leben etwas ändern
müssen. Du hörst von mir!
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Dieser Abend geht übrigens auf mich, ich hab der Kellnerin schon bescheid gesagt. Bis
bald!…
… Ach und David, auch, wenn ich es im Moment noch gar nicht wirklich wertschätzen kann,
vielen Dank für das Gespräch!“
David lächelt ihn liebevoll an und blickt Henry noch nach, bis er hinter der Tür verschwindet,
dann lehnt er sich zurück, genießt einen Schluck Wein und schmunzelt, weil er weiß, wie sich
Henry jetzt fühlen muss. Ihm erging es früher oft ähnlich. Allerdings hatte er nie so eine
heftige Dosis an Erkenntnis in so kurzer Zeit bekommen, wie sie heute Henry bekam.
„Es ist schon hart, wenn es, von jetzt auf gleich, den Anschein hat, dass man den Boden, auf
dem man steht, unter sich verliert. Aber je eher der Mensch den Lug und Trug durchschaut,
desto besser. Wie heißt es doch so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken
ohne Ende.
Er hat jetzt vom Schicksal eine neue Chance bekommen, sich zu öffnen, seine alten
Glaubensmuster zu durchbrechen und neues Wissen aufzunehmen, um die GÖTTLICHE
Schöpfung ein bisschen mehr zu verstehen.
Vielleicht wird es sie nutzen, vielleicht auch nicht.
Ich bin mal gespannt auf unser nächstes Gespräch!“, denkt sich David im Stillen.
Zwei alte Freunde haben sich in einer kleinen Bar in der Schweiz zu einem kleinen
Abendtrunk verabredet. Sie kennen sich seit ihrem gemeinsamen Abitur und haben sich schon
seit sieben Jahren, nicht mehr gesehen.
Beide sind erfreut einander wiederzusehen und fallen sich herzlichst in die Arme.
Henry hat nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann abgeschlossen, danach
Betriebswirtschaft studiert und ist bei einem größeren Versicherungs- und Bankhaus im
Management beschäftigt. David dagegen hat Religionswissenschaft, Philosophie,
Mathematik, Sprachwissenschaften und Physik studiert, jedoch alle Studiengänge nach dem
zweiten oder dritten Semester wieder abgebrochen und beschlossen zu Hause auf eigene Faust
zu studieren. Er hat viele Reisen zu den entferntesten Orten gemacht und mit den
verschiedensten Leuten gesprochen, war immer ein guter Schüler und wissbegierig zu
erfahren und zu verstehen, nach welchen Mustern, Gesetzen und Regeln die Schöpfung
funktioniert. Nicht nur die Regeln der Materie, sondern vor allem auch die Regeln und
Gesetze des Geistes interessierten ihn sehr.
Nach der Begrüßung und dem Bestellen der Getränke beginnt das nun folgende Gespräch
zwischen den ehemals gleichen Freunden.
(Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als unsichtbarer Dritter mit am Tisch und hören jetzt aufmerksam dieses
Gespräch mit!)
„Sag mal David, was willst du eigentlich mit deinem Studium erreichen?“
„Ich will eigentlich nur verstehen, wie die Schöpfung funktioniert. Ich habe keine Ziele, auf
die ich hinarbeite.“ „Aber von irgendwas musst du doch leben können, wenn du mal älter
bist.“ „Ich lebe eigentlich ganz gut. Schon seit ich mit meinen eigenen Reisen und Studien
begonnen habe, fehlte es mir an nichts. Es war und ist immer alles im Überfluss vorhanden.“
„Aber wer zahlt denn die Reisen und deine Verpflegung? Woher kommt denn das Geld für
all deine Bücher und Kleidung?“ „Das ergibt sich so. Entweder werde ich eingeladen oder ich
bekomme eine Gelegenheit mir etwas zu verdienen. Meist ist aber irgendein „Wunder“ im
Spiel. Es geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat.“ „Du versuchst mir auszuweichen.
Kein Mensch kann ohne Geld existieren, zumindest nicht menschenwürdig leben. Geld regiert
nun mal die Welt, da kommt keiner vorbei und jeder der es versucht, wird irgendwann auf der
Straße landen und von der Sozialhilfe, das heißt auf Kosten der Gesellschaft, leben. Und
solche Schmarotzer sind mir wirklich zu wider! Zu faul eigenes Geld zu verdienen und dafür
bei anderen zu saugen, wie die Zecke am Hals. Nein, so was verabscheue ich zutiefst.“ Henry
verzog eine so verachtenswürdige Mine, dass jeder, nur allein beim Gedanken an Sozialhilfe,
sich schämen musste.„Ich kann dich beruhigen“, sagt David, „Ich lebe nicht von Sozialhilfe.
Du kannst also ruhig mit mir weiterreden!“ „Na ja, das hätte ich von dir auch nicht erwartet.“
Henry lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Rotweinglas.
„Sag mal David“, bohrt Henry weiter, „kann man denn bei all deinen Studien überhaupt noch
Realist bleiben?“ „Wie meist du das?“, fragt David. „Nun ja, ich meine, bei all deinen
geistigen Spinnereien, … ich meine Ansichten, kann man da noch auf dem Boden der
Tatsachen bleiben? Ich meine, ob man da nicht sehr schnell abhebt, bei dieser „nach Gott
Suche“ und so? Glaubst du denn an Gott, ich meine so richtig?“ Henry verzog wieder das
Gesicht, nur diesmal eher etwas mitleidig.
„Was soll ich dir sagen, Henry. Es wird schwierig für mich dir meinen Standpunkt zu
vermitteln, der auf all meinen Erfahrungen und all meinem Wissen beruht, aber trotzdem will
ich es versuchen. Weißt du, was „Polarität“ ist?“ „Äh na ja, … schon irgendwie. Das
bedeutet doch, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt, also immer zwei Seiten einer
Medaille, oder?“ „Ja, so ähnlich. Eine Polarität zeichnet sich dadurch aus, dass die eine Seite
immer mit der anderen untrennbar, gleichzeitig auftreten muss, obwohl sie sich eigentlich
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vom Grunde her beide widersprechen. Du kannst aber immer nur eine Seite wahrnehmen,
während die andere Seite parallel verborgen ist. Wenn du „Krieg“ in deinem Bewusstsein
hast, dann ist der „Frieden“ die Gegenseite, die unsichtbar im Hintergrund den Kontrast
bildet. Ohne einen Kontrast oder Unterschied kannst du nichts wahrnehmen. Alles, was du
wahrnimmst ist letztendlich polar aufgebaut. Jede Farbe hat ihre Komplementärfarbe und
erst im Hintergrund von der einen kannst du die anderen sehen. Du kannst das Prinzip noch
schön beim Photographieren mit einem Photofilm sehen. Es gibt immer ein Dianegativ und
ein Diapositiv, die zusammen reines, weißes, unsichtbares Licht ergeben. Zu „links“ gehört
„rechts“, zu „warm“ gehört „kalt“, zu „hell“ gehört „dunkel“ und zu der „Stille“ gehört das
„Geräusch“. Jeweils zwischen der Polarität entstehen unendlich viele „Zwischenstufen“, die
von einem extremen Pol zum anderen führen. Schön erkennen, kannst du es an dem polaren
Beispiel der Farben von „Schwarz“ und „Weiß“, denn es liegen unendlich viele „Grautöne“
dazwischen.“
David macht eine kurze Pause, um das gerade gesagte bei Henry wirken zu lassen, bis er dann
fortfährt: „Etwas allgemeiner formuliert, würde es bedeuten, dass aus der Polarität die
unendliche Vielfalt resultiert und jede Position innerhalb der Polarität eine mögliche
Sichtweise darstellt!
Wenn du ein bisschen darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass du alles nur
aufgrund eines Gegensatzes wahrnehmen kannst. Selbst dieses Glas hier kann nur
existieren, weil es, etwas abstrakt formuliert, einen Hintergrund gibt, der „Nicht-Glas“ ist.
Kannst du mir soweit folgen?“
„Hm. Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt. Das müsste ich mir erst mal durch den Kopf
gehen lassen, aber es scheint so zu sein! Ich glaube, ich hab schon mal was darüber in einem
Managertraining gehört.“ „Gut, hat dein Studium zumindest eine kleine Frucht
hervorgebracht!“ „Wie meinst du das?“, fragt Henry etwas irritiert und erstaunt über so eine
spitzfindige Bemerkung. „Das sage ich dir am Ende. Lass mich erst mal weiter erklären. Du
willst doch eine Antwort auf deine Fragen haben, oder nicht?“ „Ja natürlich irgendwie schon,
also fahre fort, aber heb jetzt nicht ab.“ „Nein, keine Angst. Ich bin mehr Realist, als du
glaubst. Und ich behaupte sogar, dass ich ein weitaus größerer Realist bin, als du!“
Henrys Gesichtsmimik verrät etwas Irritation, denn so ein ausführliches Gespräch auf seine
doch eher flapsige Bemerkung über Davids Studium hat er nicht erwartet. Aber David erklärt
weiter: „Also, jetzt zurück zu unserer Polarität. Ein weiteres wichtiges Kriterium der Polarität
ist die Synthese. Jede Polarität hat nämlich auf einer höheren Stufe eine Synthese, die
jeweils beide Pole gleichzeitig enthält und einen höheren Komplex bildet. Ich will dir ein paar
Beispiele geben, die zwar selbst noch polar sind, aber schon das Prinzip der Synthese
verdeutlichen können: Die Münze: sie hat zwei Seiten und beide Seiten benötigen einander als
Kontrast (Kopf und Zahl), wobei sie beide gleichzeitig in der höheren Synthese, der Münze,
aufgehen. Genauso ist es mit dem mathematischen Kegel. Er ist auf einer zweidimensionalen
unteren Ebene entweder „Kreis“ oder „Dreieck“, in Wirklichkeit aber „Kreis und Dreieck“.
Ein anderes Beispiel ist die „Wurst“ mit ihren beiden Enden, oder noch besser ist das „Tai
Chi“ ☯ Symbol, als Beispiel für die Synthese und die zwei Hälften, weiß und schwarz, als
die symbolischen zwei Seiten der Polarität.
Man kann in einer Polarität nie die eine Seite von der anderen Seite trennen. Beide
gehören immer zusammen und gehen in der höheren Synthese harmonisch auf. Hast du
das soweit verstanden, Henry?“ „Ja, ich denke schon!“ „Gut. Dann frage ich dich, was ist die
Synthese aus „Krieg und Frieden“, oder „links und rechts“, oder „warm und kalt“, oder „blau
und orange“?
Darauf ist Henry jetzt nicht vorbereitet gewesen. Er überlegt kurz und sagt: „Äh, Moment …
ich weiß es nicht! Sag es mir!“ „Du kannst dir die Synthese weder denken noch
vorstellen! Aber du kannst mit deinem logischen Verstand bis zu der Grenze kommen, dass
du 100 %ig sicher sagen kannst, dass es eine Synthese geben muss. Du kannst sie aber nicht
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denken, da dein Denken und dein Vorstellen polar aufgebaut sind und du immer nur eine
Seite der Polarität z.B. „warm“ denken kannst, während immer gleichzeitig im Hintergrund
unsichtbar „kalt“ verborgen ist. Die Synthese ist für dich nicht wahrnehmbar!“
„Das würde bedeuten, wenn alles polar aufgebaut ist, und dass muss ich erst noch überprüfen,
dann gibt es eine Art höhere Wirklichkeit, eine Überwelt, eine Welt der Synthese, die jenseits
unserer Vorstellung und unseres Denkens liegen muss. Ist es das, was du mir damit sagen
willst?“ Henrys Ausdruck erhell sich und er beginnt Davids Ausführungen interessant zu
finden. „Gut mitgedacht. Genauso ist es! Und diese Synthese aller Synthesen nennen die
Religionen GOTT, Allah, JHWH, Krishna, Trinität, Heiliger Geist, Tao, usw.
Du kannst jetzt vielleicht auch nachvollziehen, wie albern es ist sich über GOTT zu streiten,
da man die höchste Synthese in seine kleingeistigen, polaren Denkmuster pressen möchte.
Das funktioniert nicht. Daher auch all die Meinungsverschiedenheiten über GOTT. Jeder hat
seine polare Sicht von GOTT und in Wirklichkeit ist GOTT alle Sichtweisen gleichzeitig und
noch viel mehr. So wie unser symbolischer Kegel eine Vielzahl an zweidimensionalen
Kreisen Parabeln, Hyperbeln und sogar Dreiecken (alles Querschnitte durch den Kegel), darstellt,
aber gleichzeitig ein ganzer höherer dreidimensionaler Körper ist.“
„Wenn das stimmt, was du mir erzählst und das muss ich erst noch überprüfen, dann wäre
alles, was ich wahrnehme, mein Denken und Vorstellen, nur eine Illusion im Vergleich
zur eigentlichen Wirklichkeit, der Synthese?“, schlussfolgert Henry nach einer kurzen
Ruhepause. „Sehr gut kombiniert. Ich hätte es nicht besser formulieren können. Du warst
zurecht in der Schule immer der bessere Schüler von uns zwei“, schmeichelt David.
„Um dir vielleicht noch eine bessere fühlbare Vorstellung von der „Illusionswelt – Polarität“
und der „Wirklichkeitswelt - Synthese“ zu geben, ist der Traum ein schönes, für dich
nachvollziehbares Symbol. Wenn du heute Nacht einschläfst und träumst, dass du
meinetwegen auf einem riesigen Berg Geld sitzt, dann ist dieser Zustand für dich im Traum
erst mal Realität, vorausgesetzt, du weißt nicht, dass du träumst!“ „Ja, stimmt, wobei mir
lieber wäre, dass es kein Traum ist,“ Henry bringt ein kleines Lächeln über seine ansonsten
etwas steifen Lippen. „Wenn du dann morgens wieder wach geworden bist, dann weißt du,
dass es nur ein Traum war, der zwar allen Anschein von Wirklichkeit hatte, aber letztendlich
doch nur ein Traum war. Du weißt jetzt, dass das Geld, du selbst und der Raum in dem ihr
euch befunden habt, nur Illusion waren. Kannst du dir das Gefühl gegenüber dieser
Traumwelt im Verhältnis zu deiner Wirklichkeit bewusst machen?“
„Ja, es ist zwar schade, dass das ganze Geld nur Illusion war, aber natürlich weiß ich, wovon
du redest. Ich kann das Gefühl der Irrealität und Illusion gegenüber einem Traum in der Nacht
in mir finden und ich ahne, was du mir damit sagen willst: Die „Welt der Synthese“ verhält
sich zur „Welt der Polarität“, also diese meine Vorstellungswelt, wie du sie nennst, wie „die
Welt der Polarität“ zum „Traum“! Das erinnert mich, nebenbei bemerkt, ein wenig an den
„Goldenen Schnitt“ verbunden mit dem Film „Matrix“.“ Henry hat versucht einen Scherz zu
machen, doch merkt er, dass David nicht lacht, sondern seine Verbindung von Mathematik
und Hollywood sehr ernst aufnimmt.
„Sehr gut kombiniert, Henry. Du bist ein cleveres Kerlchen. Ich habe für diese Erkenntnis viel
länger gebraucht. Aber genau das wollte ich dir sagen. Ich wollte dir ein Gefühl der Illusion
und Relativität deiner Welt geben und dir somit eine Vorstellung vermitteln, wie sich eine
höhere Stufe zu einer Niedrigeren verhält, indem ich dir eine noch niedrigere Stufe als
Verhältnisbeispiel geben, die du mit deinem Wissen fassen kannst. Arithmetisch betrachtet
liegt zwischen 7 und 8 genauso viel, wie zwischen 6 und 7, nämlich genau „1“. Wobei „6“
unser Traum ist, „7“ ist die „Welt der Polarität“, also das, was du jetzt erlebst und „8“ ist die
„Welt der Synthese“, die höhere Wirklichkeit.
Wenn du auf „7“ stehst kannst du „8“ zwar noch nicht wirklich fassen, du kannst in dir aber
ein Gefühl für diese höhere Wirklichkeit hervorrufen, wenn du dir „6“ anschaust.“
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„Mir dämmert langsam wohin das führt und ich muss sagen, dass mir mulmig zumute wird.“
Henry blickt im Raum umher, schaut sich die Menschen, die Möbel, sowie die Bar an und
spricht nachdenklich: „Dann wäre ja nichts, was uns umgibt absolute Wirklichkeit! Das würde
doch komplett die Spannung aus allem nehmen!“ „Stimmt und stimmt nicht! Es ist genauso
viel Wirklichkeit, wie in deinem Traum. Alles ist wirklich da! Fass doch das Glas an. Es ist
doch alles „echt“ und erfahrbar. Werde jetzt bloß nicht unrealistisch, Henry!“
David kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, ergänzt aber gleich, „wenn du dir einen
Film auf DVD anschaust, weißt du doch auch indirekt, dass die höhere Wirklichkeit nur aus
einem Zahlencode auf der DVD besteht und das schmälert doch auch nicht dein Vergnügen
am Film. Es hilft dir höchstens ruhig zu bleiben, wenn es zu spannend oder zu brutal wird, da
du dir ja in Erinnerung rufen kannst, dass es nur ein Film und nicht wirklich echt ist.“
„Ja. Das stimmt. So gesehen ist es eigentlich eine ziemlich große Hilfe. Wenn ich dieses
Wissen in meinem Alltag parat hätte. Ich hätte einige graue Haare und einige Sorgenfalten
weniger und wahrscheinlich hätte ich auch kein Magengeschwür bekommen.
Aber ich weiß noch nicht sicher, ob das auch alles stimmt, was du mir da erzählst. Das klingt
alles viel zu einfach, um wahr zu sein!“ „Warum machst du es denn so kompliziert? Vielleicht
ist alles viel einfacher als du es dir vorstellst? Vielleicht denkst du nur zu kompliziert und
siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht!“
„Ich will dir jetzt nicht unbedingt widersprechen, nach alledem, was du mir gerade gesagt
hast. Es kann durchaus sein, dass ich irgendwie doch nicht so einen großen Plan hatte, wie ich
es annahm. Aber ich muss das alles erst mal überdenken und verdauen.
Außerdem glaub ich, brauch ich eine kurze Pause. Ich geh mal auf die Toilette. Bin gleich
wieder da!“
Henry ist einer der besten Absolventen auf der Uni gewesen. Er hat sein BWL Studium mit
„summa cum laude“ abgeschlossen und auf dem Finanzmarkt ist er ein angesagter Manager.
Er kann sehr schnell Zusammenhänge erfassen, wenn er sich intensiver mit ihnen beschäftigt,
aber er will grundsätzlich auch nur das annehmen, was er verstehen und nachvollziehen kann.
David denkt sich mit einer liebevollen, fast väterlichen inneren Stimme: „Dies, lieber Henry,
war der erste Streich und der zweite folgt möglicherweise zugleich, nachdem du deine kleine
Auszeit auf der Toilette beendet hast.“
Henry kommt wieder und man kann sehen, dass er sich wohl das Gesicht mit Wasser
abgewaschen hat. Seine Haarspitzen sind noch ganz nass und die Augen leicht rot vom
Reiben mit den Händen.
Er hat vorher noch zwei Gläser Rotwein bestellt, bevor er sich wieder auf seinen Platz setzt.
Henry schaut David an, wie ein etwas eingeschüchtertes Kind seinen Lehrer anschaut, mit
der etwas ängstlichen Frage im Gesicht „…und was kommt jetzt als nächstes?“
„Lass uns jetzt über dich sprechen, Henry. Wie sieht es eigentlich mit Geld aus?“ David kann
sehen, wie in Henry das kraftvolle Leben zurückkehrt und aus dem Schüler schnell wieder der
Meister wird, denn hierin kennt er sich nun wirklich aus. Er weiss so ziemlich alles über Geld.
Er kennt alle wichtigen Fonds, Anlagen, Kapitalbeteiligungen, sowie die Finanzlagen der
größten Firmen und Länder. Er hätte ohne Probleme aus dem Stegreif David, einen der besten
Vorträge über „Die besten Renditen weltweit“ halten können.
Jetzt ist es an ihm, David aufzuklären, denn David hat ja offensichtlich keine Ahnung von
Geld. Sein Körper erhebt sich und mit fester selbstsicherer Stimme fragt er: „Aber gern,
David, was möchtest du wissen? Es freut mich, wenn auch ich dir etwas beibringen kann,
auch wenn das Geld in die „Welt der Polaritäten“ fallen sollte, ist es ja durchaus mit das
Wichtigste in dieser Welt!“ „So, so, „das Wichtigste dieser Welt“, dann sag mir doch mal,
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was an Geld so wichtig, oder besser noch, so wertvoll ist? Du glaubst doch, dass Geld
wertvoll ist, oder Henry?“ „Aber natürlich, was für eine Frage! Das Geld ist das „Blut der
Wirtschaft“, wie wir Banker sagen…“ , „… und die Banker sind dann die Blutsauger…“
scherzt David. Henry stutz, fängt sich aber schnell wieder „Nein … äh ja, ich meine, wenn du
es so auslegen möchtest. Mir gefällt „Blutbank“ besser. Sie hilft, sozusagen als Retter in der
Not, wenn mal ein Unternehmen etwas Knapp an Blut bzw. Geld ist. Aber du hast mich
unterbrochen. Ich wollte sagen, dass das Geld das Blut der Wirtschaft ist und die Wirtschaft
bestimmt das Wohlergehen einer Gesellschaft. Geht es der Wirtschaft gut, geht es den
Menschen gut. Dann kann das Gesundheitssystem stabilisiert werden, die Bildung gefördert
werden, die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden usw. und das alles hängt vom
jeweiligen Geldbeutel, oder besser gesagt von der Finanzkraft des Landes ab! Ohne Geld
keinen Wohlstand! So einfach ist das!“
„Ist es das wirklich? Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Du bist ihr nur
ausgewichen!“ „Wie ausgewichen? Wieso? Welcher Frage bitte noch mal?“ „Was an Geld
wertvoll ist?“ „Geld an sich hat keinen Wert, wenn du das meinst. Das Material oder die
Zahlen auf dem Konto haben nichts mit dem eigentlichen Wert zu tun. Geld hat einen
Tauschwert. Du kannst für Geld andere Waren bekommen, ohne andere Waren eintauschen
zu müssen. Geld ist viel handlicher und praktischer, als mit einem Sackkarren voller Waren
rumzulaufen und zufällig jemanden zu finden, der das braucht, was ich habe, und der zufällig
auch das hat, was ich brauche!“
„Das bestreitet auch niemand“, David lässt nicht locker, „du sollst mir nur verraten warum
jeder glaubt, dass Geld wertvoll ist, wenn doch gar nichts wertvolles an Geld ist!“
Henry überlegt kurz, dann versucht er David den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ah, jetzt
weiß ich worauf du anspielst. Du spielst auf die Tatsache an, dass das heutige Geld schon
lange keine Golddeckung mehr hat. Es wird von den Banken, besonders in den westlichen
Ländern, im Prinzip aus dem Nichts erschaffen. Wir nennen das „Fiat Money“, die
Bezeichnung stammt aus der Bibel von „Fiat Lux“ (Es werde Licht) glaube ich. Mit „Es
werde Geld“ ist gemeint, dass das Geld einfach aus dem Nichts generiert wird. Ich weiß, dass
private Banken das Geld für die Staaten und Regierungen drucken bzw. mittels Tastatur in
einen Computer eingeben und es an sie gegen Zinsen verleihen. Na und…? Natürlich ist das
im Prinzip die größte Verarsche, die die Welt je gesehen hat, aber…!“ „Henry“, unterbricht
ihn David „Du brauchst mir hier nichts zu beichten. Ich hab kein Problem damit. Ich weiß das
alles. Aber was ist mit meiner Frage? Was ist an Geld wertvoll?“
„NICHTS, gar nichts ist an Geld wertvoll. Es ist bedrucktes Papier oder Zahlen auf einem
Konto, die rein imaginär sind. Es hat selbst keine Wertsubstanz! Ist es dass, was du wissen
willst!“ „Und warum will es dann jeder haben, Henry?“ „Weil wir es schon immer so gelernt
haben. Jeder hat von klein auf beigebracht bekommen, dass Geld wertvoll ist. Mit Gold ist es
doch genauso. Was ist an Gold schon wertvoll? Mal von Zahnersatz, Kunstwerken und
einigen Industrieprodukten abgesehen, ist es doch zu nichts weiter zu gebrauchen!“
Jetzt bemerkt Henry, dass er sich selbst in den Rücken gefallen ist. Instinktiv weiß er es schon
immer, aber so richtig hat er nicht gewagt darüber nachzudenken. Erst durch den Druck von
David, konnte oder musste er die unsichtbare Grenze überqueren, die sein scheinbar festes
Weltbild vom „Geldbild“ umgab.
„Ja du hast recht, David. Geld ist eigentlich wertlos!“, gibt Henry etwas kleinlaut wiederholt
zu. Er verliert jetzt immer mehr die Haltung und scheint gerade seine letzte Festung verloren
zu haben. „Nein, das stimmt nicht, Henry. Es gibt etwas, was hinter dem Geld steht und
wodurch das Geld wertvoll wird!“ „Was meinst du?“ „Du hast es gerade gesagt: Es ist der
Glaube an das Geld! Die Menschen glauben, dass Geld oder auch Gold wertvoll sind,
obwohl an ihnen überhaupt nichts wirklich wertvolles ist! Der Glaube des Menschen ist
es, was die Dinge wertvoll macht!“
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Henry überlegt kurz, dann scheint er zu verstehen: „Dann gilt das gleiche für Bilder,
Kunstwerke, Antiquitäten, Reliquien und vieles andere auch!“
„Völlig richtig Henry. Du bist halt ein heller Kopf.“ Henry weiß nicht ob David das ernst
gemeint hat, oder ob er sich gerade lustig gemacht hat. Vielleicht beides zugleich!
„Ich will dir noch ein anderes Beispiel geben, Henry: Nimm doch mal die Briefmarke „die
Blaue Mauritius“. Ihr angeblicher Versicherungswert, so hab ich gehört, liegt bei ca. einer
Millionen Dollar. Was ist an einem kleinen, fehlerhaften und bereits abgestempelten
Papierschnipsel denn so wertvoll?“
„Die Einzigartigkeit und Seltenheit natürlich!“, verteidigt Henry die Briefmarke. David riss
ein Stückchen, in der Größe einer Briefmarke, von seinem Bierdeckel ab und hielt sie Henry
vor das Gesicht: „Was unterscheidet die „Blaue Mauritius“ von diesem Schnipsel hier? Auch
er ist einzigartig und selten. Du wirst nie wieder einen solchen Schnipsel finden, der genau
diese Reißkanten hat!“
Henry starrt den Schnipsel eine Weile an und sagt: „Ich glaube, ich fange an zu verstehen,
was du damit sagen willst. Man muss den Menschen nur glauben machen, etwas sei wertvoll
und dann ist es auch wertvoll, aber nur deshalb, weil sie es glauben. Der Glaube ist der Wert
hinter den Dingen!“ Er macht eine kurze Pause und folgert weiter „Wenn ich das recht
bedenke, funktioniert im Prinzip die ganze Börse nach dieser Grundregel! Der Glaube ist es,
der den Wert schafft!“ „Richtig, genau das habe ich versucht dir zu vermitteln. Das Wort
„Geld“ hängt mit „Geltung / gelten / das, was gilt“ zusammen, und das, was wirkliche
Geltung hat, ist der „Glaube des Menschen“!“
Henrys Gesicht entspannt sich. Innerlich hat er gerade kapituliert. Ihm geht seine großartige
Bildersammlung durch den Kopf, die er immer ganz stolz all seinen Freunden und Besuchern
bei sich zu Hause, als langfristige und sichere Wertanlage, präsentiert hat, denn mit jedem
Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Künstler stirbt größer.
David nimmt das Gespräch, nach einer kurzen Pause des verstehenden Schweigens, als erster
wieder auf: „Wenn ich jetzt ein Heiliger wäre, was glaubst du, ist dann dieser
Bierdeckelschnipsel hier wert? Wo doch mein Fingerabdruck darauf ist?“ „Wenn du einen
Dummkopf finden würdest, der das glaubt, dann würde er vermutlich einiges dafür zahlen und
wir könnten ein riesen Geschäft mit deiner Person machen!“ „Du denkst schon wieder nur ans
Geld! Aber grundsätzlich hast du recht. Er würde uns, für den kleinen Schnipsel mit meinem
Fingerabdruck, notariell beglaubigt natürlich, einen Berg von ebenso wertlosen Schnipsels,
nämlich Geld, geben. Wir verarschen uns also gegenseitig, sind aber beide glücklich. Ein
guter Tausch, nicht wahr!“ David grinst und Henry wird immer mehr die Absurdität dieses
Spieles, das die Menschheit schon so lange zu spielen scheint, bewusst. „Das ist ja, wie bei
Monopoly, ich tausche Zettel gegen Zettel, das ist das ganze Spiel. Doch die Menschen haben
sich mittlerweile so sehr verzettelt, dass sie den Zettel nicht mehr von der Wirklichkeit
unterscheiden können. Den Schein des (Geld)Scheins nicht mehr sehen“, folgert Henry und
grinst, weil ihm aufgefallen ist, dass „Schein“ „nur Illusion sein“ bedeutet, aber auch die
Abkürzung für Geldschein ist.
„Ist das Zufall“, denkt er sich, „oder ist doch etwas dran, an dem lateinischen Sprichwort
„nomen est omen“ („Im Namen liegt die Vorbedeutung“)? Der Geld-schein gilt nur zum Schein.“
„…oder mit Shakespeare gesagt: Der ganze Wahn ums Geld bedeutet im Kern: „Viel Lärm
um Nichts!“, ergänzt David.
„Jetzt wird mir auch die Verbindung der Banken zu den Medien und der Politik klar. Im
Prinzip weiß ich, dass alle Banken der westlichen Welt miteinander vernetzt sind und dadurch
alle unter einer Decke stecken. Sie beherrschen oder kontrollieren direkt und indirekt die
Massenmedien aufgrund ihrer Geldmacht und Werbekraft, und die Massenmedien
kontrollieren den Glauben der Masse der Bevölkerung, und damit die Wahlen in der Politik,
so dass auch die Politik direkt und indirekt gesteuert wird. Die Politik und der jeweilige Staat
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selbst, sowie der Anzug und die Krawatte des Bankers, wiederum geben dem Geld ein
seriöses Äußeres. Dadurch ist gesichert, dass die Menschen glauben, nichts anderes zu hören,
als dass Geld wertvoll ist und nie auf den Gedanken kommen zu fragen, was an Geld
überhaupt wertvoll ist, oder vielleicht das ganze System in Frage stellen. Die Menschen
tauschen ihre eigentlichen Werte, wie Häuser oder ihre Arbeitskraft bei der Bank gegen
Geld, also nur bedrucktes Papier oder Zahlen auf dem Kontoauszug ein. Der Banker
bekommt die Wertzusicherung des Geldes nur durch das Pfand (z.B. das Haus), was der
Schuldner ihm überschreibt. Das Geld entsteht dann aus dem Nichts! Extrem dreist, aber doch
irgendwie genial!“ Henry ist von seiner kurzen Zusammenfassung selbst ganz überrascht.
Scheint er es doch intuitiv immer gewusst oder geahnt zu haben.
David ergreift wieder das Wort und sagt: „Es ist wie in dem Märchen „Des Kaisers neue
Kleider“. Erst der unwissende kleine Junge spricht aus, dass der Kaiser gar keine Kleider an
hat! Die Massenmedien versuchen in der Regel nur zu manipulieren und den Menschen einen
vorgegebenen Glauben einzuhämmern (Geld ist das Wichtigste) bzw. Angst zu machen
(Vogelgrippe, Terrorismus, Unfälle, Überfälle, etc.), weil die Masse am besten durch die Angst
gesteuert werden kann. Sagte ich dir nicht schon vor Jahren, dass Zeitung lesen dumm macht!
Du hast dich über diese Ansicht immer lustig gemacht und mich als „netten, aber weltfremden
Spinner“ bezeichnet!“ David kann sich diesen letzten kleinen vielleicht etwas überzogenen
Seitenhieb nicht verkneifen, weil er weiß wie stolz Henry auf seine Allgemeinbildung ist, die
er regelmäßig durch das Studium der verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen aufrecht
erhält.
Jetzt langsam ist der Höhepunkt dieser Unterhaltung gekommen und David holt zum letzten
Schlag aus: „Und nun zurück zu deiner Frage, Henry.“ „Frage, welche Frage, ich habe keine
Fragen mehr, zumindest im Moment will ich gar nichts mehr wissen!“ „Deine Frage am
Anfang unseres Gespräches war, ob ich denn bei all meinen Studien überhaupt noch Realist
bleiben kann? Um dir diese Frage zu beantworten, musste ich dir all das vorher erklären.
Jetzt kannst du selbst entscheiden: Der eine versucht, das, was offensichtlich ist, wenn man
seine Augen und seinen Verstand auch wirklich benutzt, zu verstehen, und der andere
verstrickt sich in Illusionen und rennt sein leben lang hinter einem Trugbild Namens „Geld“
her, von dem er nie genug bekommen kann und glaubt ohne dies nicht zu überleben! Wer von
uns beiden ist nun der größere Realist?“
Henry schweigt eine Minute, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommt und in der sich sein, wie er
glaubt, so logisches festes Weltbild, wie ein Luftschloss aufzulösen beginnt.
„O.K. Du hast gewonnen. Ich gebe auf. Und was soll ich jetzt machen?“ fragt Henry sichtlich
hilflos und resignierend, „99,9 % aller Menschen funktionieren aber nach meinem Glauben
von „Geld ist wertvoll und es muss so viel wie möglich davon her“ und „ohne Geld kein
Leben“!“, versucht er sich ein letztes mal zu verteidigen.
„Da fällt mir nur ein Zitat ein: Fresst Scheiße, Millionen von Fliegen können sich nicht irren!
Oder mit der Bibel etwas vornehmer ausgedrückt: Mt 7,13 „Breit ist der Weg der Masse in die
Verderbnis und schmal ist der Weg ins Himmelreich, den nur wenige gehen“ und dazu
ergänzend noch Mt 6,24 „Du kannst nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon“!“
Henry ist auf diese direkte Antwort nicht vorbereitet gewesen, fängt sich aber schnell wieder
und erwidert: „Du kannst mich jetzt nicht mit einem schlauen Spruch und zwei Bibelzitaten
abspeisen. Erst gibst du mir eine Watsche nach der anderen, dann erschütterst bzw. zerstörst
du innerhalb von einer Stunde mein ganzes Weltbild, ruinierst nebenbei meine
Kunstsammlung und verdirbst mir möglicherweise den Spaß an meiner Arbeit, die mir vorher
soviel Vergnügen bereitet hat. Also lass mich jetzt nicht so in der Luft hängen!“
„Es ist alles nicht so schlimm, wie es dir vielleicht im Moment erscheint.
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Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du vergisst und verdrängst, was ich bzw. du dir selbst
gerade alles gesagt hast, dann wird im Prinzip alles wieder so sein wie früher, oder du
versuchst einfach nur zu verstehen, wie alles funktioniert, ohne etwas zu verurteilen!“
„Wie meinst du das, ich müsste nur verstehen, wie alles funktioniert ohne zu verurteilen und
ohne etwas zu unternehmen?“
„Mit „verstehen“ meine ich ein passives Verhalten, kein aktives „Machen müssen“ oder
„Handeln müssen“. Aus der Sicht der „Welt der Synthese“ macht Alles Sinn! Kein Mensch
ist, von dieser höheren Stufe aus betrachtet, schuldig und müsste bestraft werden. Du hast
auch nie etwas „falsch“ gemacht, Henry, das kannst du gar nicht. Du hast dich nur
verschiedenen Erfahrungen innerhalb der Polarität hingegeben, über die du das Gefühl von
angenehm und unangenehm bekommen hast. Alles ist, von oben gesehen, sehr GUT!“
„Ich verstehe im Moment überhaupt nichts mehr. Jetzt soll wieder alles „sehr gut“ sein. Wo
ich doch gerade meine kleine Welt zusammenbrechen sah. Und überhaupt wieso gibt es
keinen der „Schuld“ hat und wieso kann ich nichts „Falsches“ machen? Was ist eigentlich
noch Realität und was ist Illusion? Bin ich oder du verrückt, David?“
„Beide und keiner! Je nach Standpunkt, von welchem man das Ver-rückt-sein betrachten
will!“, grinst David. „Nein, sag lieber gar nichts mehr. Deine Antworten verwirren mich nur
noch mehr, als dass sie Klarheit schaffen!“
Henry sieht aus, als würde er sich im nächsten Moment gerne freiwillig in eine psychische
Behandlung geben.
David erkennt, dass er vielleicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Es ist schon etwas unfair
von ihm, Henry, der nur wenig Hintergrund über die geistigen Zusammenhänge besitzt, mit
seinen Erkenntnissen, die sich in all den Jahren langsam entwickelt haben, innerhalb von einer
Stunde zu konfrontieren. Schließlich mag er Henry und das Gespräch sollte eigentlich nur
zum besten Henrys sein, aber wie es scheint war dieser mehr am Verzweifeln, als vor Glück
und Verstehen in die Höhe zu springen. Aber die Ernüchterungs- und Entzugsphasen sind nie
angenehm!
Da fällt ihm das Buch ein, was er zufällig heute in seine Tasche gesteckt hat, um vielleicht im
Park am Nachmittag noch etwas weiter zulesen. Er kam zwar nicht dazu, aber wie es scheint,
hat es doch seinen Sinn gehabt, es einzupacken und mit rumzuschleppen. Er zieht es aus
seiner Tasche und überreicht es dem etwas verwirrt dreinschauenden Henry.
„Hier, für dich! Vielleicht hilft es dir ein Stückchen weiter, beim Verstehen, wie die
Schöpfung funktioniert!“
„Der Schöpfungsschlüssel“ liest Henry den Titel des Buches laut vor.
„Es wirkt am Anfang etwas trocken und theoretischer, als es in Wirklichkeit ist. Denn hast du
den Grundaufbau erst mal verstanden, dann wirst du, dich und deine Welt, sehr viel mehr
verstehen können. Viel Spaß dabei!“ faßt David das Buch kurz zusammen.
Henry zögert, ob er noch ein „Geschenk“ von David heute psychisch verkraften kann, doch
dann entschloss er sich das Buch dankend einzupacken.
„David, es tut mir leid, aber das ist alles zu viel für mich an einem Abend. Du hast mein
ganzes Weltbild zerstört und wie ich jetzt erkenne meinen „Herrn“, das Geld, von seinem
Thron geholt. Ich muss das alles erst in Ruhe überdenken.
Ich kann mich jetzt mit dir nicht weiter unterhalten. Es ist schon zu viel. Meine Kapazität ist
mehr als überfüllt. Schau mal meine Hand an, sie fängt schon das Zittern an. Das passiert
immer, wenn ich zu nervös werde. Entschuldige, aber ich glaube ich muss jetzt gehen.
Ich melde mich bei dir wieder, sobald ich unser Gespräch etwas verdaut und eventuell das
Buch gelesen habe.
Falls das stimmt, was du mir alles erzählt hast, dann wird sich in meinem Leben etwas ändern
müssen. Du hörst von mir!
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Dieser Abend geht übrigens auf mich, ich hab der Kellnerin schon bescheid gesagt. Bis
bald!…
… Ach und David, auch, wenn ich es im Moment noch gar nicht wirklich wertschätzen kann,
vielen Dank für das Gespräch!“
David lächelt ihn liebevoll an und blickt Henry noch nach, bis er hinter der Tür verschwindet,
dann lehnt er sich zurück, genießt einen Schluck Wein und schmunzelt, weil er weiß, wie sich
Henry jetzt fühlen muss. Ihm erging es früher oft ähnlich. Allerdings hatte er nie so eine
heftige Dosis an Erkenntnis in so kurzer Zeit bekommen, wie sie heute Henry bekam.
„Es ist schon hart, wenn es, von jetzt auf gleich, den Anschein hat, dass man den Boden, auf
dem man steht, unter sich verliert. Aber je eher der Mensch den Lug und Trug durchschaut,
desto besser. Wie heißt es doch so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken
ohne Ende.
Er hat jetzt vom Schicksal eine neue Chance bekommen, sich zu öffnen, seine alten
Glaubensmuster zu durchbrechen und neues Wissen aufzunehmen, um die GÖTTLICHE
Schöpfung ein bisschen mehr zu verstehen.
Vielleicht wird es sie nutzen, vielleicht auch nicht.
Ich bin mal gespannt auf unser nächstes Gespräch!“, denkt sich David im Stillen.
Zwei alte Freunde haben sich in einer kleinen Bar in der Schweiz zu einem kleinen
Abendtrunk verabredet. Sie kennen sich seit ihrem gemeinsamen Abitur und haben sich schon
seit sieben Jahren, nicht mehr gesehen.
Beide sind erfreut einander wiederzusehen und fallen sich herzlichst in die Arme.
Henry hat nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann abgeschlossen, danach
Betriebswirtschaft studiert und ist bei einem größeren Versicherungs- und Bankhaus im
Management beschäftigt. David dagegen hat Religionswissenschaft, Philosophie,
Mathematik, Sprachwissenschaften und Physik studiert, jedoch alle Studiengänge nach dem
zweiten oder dritten Semester wieder abgebrochen und beschlossen zu Hause auf eigene Faust
zu studieren. Er hat viele Reisen zu den entferntesten Orten gemacht und mit den
verschiedensten Leuten gesprochen, war immer ein guter Schüler und wissbegierig zu
erfahren und zu verstehen, nach welchen Mustern, Gesetzen und Regeln die Schöpfung
funktioniert. Nicht nur die Regeln der Materie, sondern vor allem auch die Regeln und
Gesetze des Geistes interessierten ihn sehr.
Nach der Begrüßung und dem Bestellen der Getränke beginnt das nun folgende Gespräch
zwischen den ehemals gleichen Freunden.
(Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als unsichtbarer Dritter mit am Tisch und hören jetzt aufmerksam dieses
Gespräch mit!)
„Sag mal David, was willst du eigentlich mit deinem Studium erreichen?“
„Ich will eigentlich nur verstehen, wie die Schöpfung funktioniert. Ich habe keine Ziele, auf
die ich hinarbeite.“ „Aber von irgendwas musst du doch leben können, wenn du mal älter
bist.“ „Ich lebe eigentlich ganz gut. Schon seit ich mit meinen eigenen Reisen und Studien
begonnen habe, fehlte es mir an nichts. Es war und ist immer alles im Überfluss vorhanden.“
„Aber wer zahlt denn die Reisen und deine Verpflegung? Woher kommt denn das Geld für
all deine Bücher und Kleidung?“ „Das ergibt sich so. Entweder werde ich eingeladen oder ich
bekomme eine Gelegenheit mir etwas zu verdienen. Meist ist aber irgendein „Wunder“ im
Spiel. Es geschieht etwas, womit keiner gerechnet hat.“ „Du versuchst mir auszuweichen.
Kein Mensch kann ohne Geld existieren, zumindest nicht menschenwürdig leben. Geld regiert
nun mal die Welt, da kommt keiner vorbei und jeder der es versucht, wird irgendwann auf der
Straße landen und von der Sozialhilfe, das heißt auf Kosten der Gesellschaft, leben. Und
solche Schmarotzer sind mir wirklich zu wider! Zu faul eigenes Geld zu verdienen und dafür
bei anderen zu saugen, wie die Zecke am Hals. Nein, so was verabscheue ich zutiefst.“ Henry
verzog eine so verachtenswürdige Mine, dass jeder, nur allein beim Gedanken an Sozialhilfe,
sich schämen musste.„Ich kann dich beruhigen“, sagt David, „Ich lebe nicht von Sozialhilfe.
Du kannst also ruhig mit mir weiterreden!“ „Na ja, das hätte ich von dir auch nicht erwartet.“
Henry lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Rotweinglas.
„Sag mal David“, bohrt Henry weiter, „kann man denn bei all deinen Studien überhaupt noch
Realist bleiben?“ „Wie meist du das?“, fragt David. „Nun ja, ich meine, bei all deinen
geistigen Spinnereien, … ich meine Ansichten, kann man da noch auf dem Boden der
Tatsachen bleiben? Ich meine, ob man da nicht sehr schnell abhebt, bei dieser „nach Gott
Suche“ und so? Glaubst du denn an Gott, ich meine so richtig?“ Henry verzog wieder das
Gesicht, nur diesmal eher etwas mitleidig.
„Was soll ich dir sagen, Henry. Es wird schwierig für mich dir meinen Standpunkt zu
vermitteln, der auf all meinen Erfahrungen und all meinem Wissen beruht, aber trotzdem will
ich es versuchen. Weißt du, was „Polarität“ ist?“ „Äh na ja, … schon irgendwie. Das
bedeutet doch, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt, also immer zwei Seiten einer
Medaille, oder?“ „Ja, so ähnlich. Eine Polarität zeichnet sich dadurch aus, dass die eine Seite
immer mit der anderen untrennbar, gleichzeitig auftreten muss, obwohl sie sich eigentlich
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vom Grunde her beide widersprechen. Du kannst aber immer nur eine Seite wahrnehmen,
während die andere Seite parallel verborgen ist. Wenn du „Krieg“ in deinem Bewusstsein
hast, dann ist der „Frieden“ die Gegenseite, die unsichtbar im Hintergrund den Kontrast
bildet. Ohne einen Kontrast oder Unterschied kannst du nichts wahrnehmen. Alles, was du
wahrnimmst ist letztendlich polar aufgebaut. Jede Farbe hat ihre Komplementärfarbe und
erst im Hintergrund von der einen kannst du die anderen sehen. Du kannst das Prinzip noch
schön beim Photographieren mit einem Photofilm sehen. Es gibt immer ein Dianegativ und
ein Diapositiv, die zusammen reines, weißes, unsichtbares Licht ergeben. Zu „links“ gehört
„rechts“, zu „warm“ gehört „kalt“, zu „hell“ gehört „dunkel“ und zu der „Stille“ gehört das
„Geräusch“. Jeweils zwischen der Polarität entstehen unendlich viele „Zwischenstufen“, die
von einem extremen Pol zum anderen führen. Schön erkennen, kannst du es an dem polaren
Beispiel der Farben von „Schwarz“ und „Weiß“, denn es liegen unendlich viele „Grautöne“
dazwischen.“
David macht eine kurze Pause, um das gerade gesagte bei Henry wirken zu lassen, bis er dann
fortfährt: „Etwas allgemeiner formuliert, würde es bedeuten, dass aus der Polarität die
unendliche Vielfalt resultiert und jede Position innerhalb der Polarität eine mögliche
Sichtweise darstellt!
Wenn du ein bisschen darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass du alles nur
aufgrund eines Gegensatzes wahrnehmen kannst. Selbst dieses Glas hier kann nur
existieren, weil es, etwas abstrakt formuliert, einen Hintergrund gibt, der „Nicht-Glas“ ist.
Kannst du mir soweit folgen?“
„Hm. Ich weiß nicht, ob das alles so stimmt. Das müsste ich mir erst mal durch den Kopf
gehen lassen, aber es scheint so zu sein! Ich glaube, ich hab schon mal was darüber in einem
Managertraining gehört.“ „Gut, hat dein Studium zumindest eine kleine Frucht
hervorgebracht!“ „Wie meinst du das?“, fragt Henry etwas irritiert und erstaunt über so eine
spitzfindige Bemerkung. „Das sage ich dir am Ende. Lass mich erst mal weiter erklären. Du
willst doch eine Antwort auf deine Fragen haben, oder nicht?“ „Ja natürlich irgendwie schon,
also fahre fort, aber heb jetzt nicht ab.“ „Nein, keine Angst. Ich bin mehr Realist, als du
glaubst. Und ich behaupte sogar, dass ich ein weitaus größerer Realist bin, als du!“
Henrys Gesichtsmimik verrät etwas Irritation, denn so ein ausführliches Gespräch auf seine
doch eher flapsige Bemerkung über Davids Studium hat er nicht erwartet. Aber David erklärt
weiter: „Also, jetzt zurück zu unserer Polarität. Ein weiteres wichtiges Kriterium der Polarität
ist die Synthese. Jede Polarität hat nämlich auf einer höheren Stufe eine Synthese, die
jeweils beide Pole gleichzeitig enthält und einen höheren Komplex bildet. Ich will dir ein paar
Beispiele geben, die zwar selbst noch polar sind, aber schon das Prinzip der Synthese
verdeutlichen können: Die Münze: sie hat zwei Seiten und beide Seiten benötigen einander als
Kontrast (Kopf und Zahl), wobei sie beide gleichzeitig in der höheren Synthese, der Münze,
aufgehen. Genauso ist es mit dem mathematischen Kegel. Er ist auf einer zweidimensionalen
unteren Ebene entweder „Kreis“ oder „Dreieck“, in Wirklichkeit aber „Kreis und Dreieck“.
Ein anderes Beispiel ist die „Wurst“ mit ihren beiden Enden, oder noch besser ist das „Tai
Chi“ ☯ Symbol, als Beispiel für die Synthese und die zwei Hälften, weiß und schwarz, als
die symbolischen zwei Seiten der Polarität.
Man kann in einer Polarität nie die eine Seite von der anderen Seite trennen. Beide
gehören immer zusammen und gehen in der höheren Synthese harmonisch auf. Hast du
das soweit verstanden, Henry?“ „Ja, ich denke schon!“ „Gut. Dann frage ich dich, was ist die
Synthese aus „Krieg und Frieden“, oder „links und rechts“, oder „warm und kalt“, oder „blau
und orange“?
Darauf ist Henry jetzt nicht vorbereitet gewesen. Er überlegt kurz und sagt: „Äh, Moment …
ich weiß es nicht! Sag es mir!“ „Du kannst dir die Synthese weder denken noch
vorstellen! Aber du kannst mit deinem logischen Verstand bis zu der Grenze kommen, dass
du 100 %ig sicher sagen kannst, dass es eine Synthese geben muss. Du kannst sie aber nicht
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denken, da dein Denken und dein Vorstellen polar aufgebaut sind und du immer nur eine
Seite der Polarität z.B. „warm“ denken kannst, während immer gleichzeitig im Hintergrund
unsichtbar „kalt“ verborgen ist. Die Synthese ist für dich nicht wahrnehmbar!“
„Das würde bedeuten, wenn alles polar aufgebaut ist, und dass muss ich erst noch überprüfen,
dann gibt es eine Art höhere Wirklichkeit, eine Überwelt, eine Welt der Synthese, die jenseits
unserer Vorstellung und unseres Denkens liegen muss. Ist es das, was du mir damit sagen
willst?“ Henrys Ausdruck erhell sich und er beginnt Davids Ausführungen interessant zu
finden. „Gut mitgedacht. Genauso ist es! Und diese Synthese aller Synthesen nennen die
Religionen GOTT, Allah, JHWH, Krishna, Trinität, Heiliger Geist, Tao, usw.
Du kannst jetzt vielleicht auch nachvollziehen, wie albern es ist sich über GOTT zu streiten,
da man die höchste Synthese in seine kleingeistigen, polaren Denkmuster pressen möchte.
Das funktioniert nicht. Daher auch all die Meinungsverschiedenheiten über GOTT. Jeder hat
seine polare Sicht von GOTT und in Wirklichkeit ist GOTT alle Sichtweisen gleichzeitig und
noch viel mehr. So wie unser symbolischer Kegel eine Vielzahl an zweidimensionalen
Kreisen Parabeln, Hyperbeln und sogar Dreiecken (alles Querschnitte durch den Kegel), darstellt,
aber gleichzeitig ein ganzer höherer dreidimensionaler Körper ist.“
„Wenn das stimmt, was du mir erzählst und das muss ich erst noch überprüfen, dann wäre
alles, was ich wahrnehme, mein Denken und Vorstellen, nur eine Illusion im Vergleich
zur eigentlichen Wirklichkeit, der Synthese?“, schlussfolgert Henry nach einer kurzen
Ruhepause. „Sehr gut kombiniert. Ich hätte es nicht besser formulieren können. Du warst
zurecht in der Schule immer der bessere Schüler von uns zwei“, schmeichelt David.
„Um dir vielleicht noch eine bessere fühlbare Vorstellung von der „Illusionswelt – Polarität“
und der „Wirklichkeitswelt - Synthese“ zu geben, ist der Traum ein schönes, für dich
nachvollziehbares Symbol. Wenn du heute Nacht einschläfst und träumst, dass du
meinetwegen auf einem riesigen Berg Geld sitzt, dann ist dieser Zustand für dich im Traum
erst mal Realität, vorausgesetzt, du weißt nicht, dass du träumst!“ „Ja, stimmt, wobei mir
lieber wäre, dass es kein Traum ist,“ Henry bringt ein kleines Lächeln über seine ansonsten
etwas steifen Lippen. „Wenn du dann morgens wieder wach geworden bist, dann weißt du,
dass es nur ein Traum war, der zwar allen Anschein von Wirklichkeit hatte, aber letztendlich
doch nur ein Traum war. Du weißt jetzt, dass das Geld, du selbst und der Raum in dem ihr
euch befunden habt, nur Illusion waren. Kannst du dir das Gefühl gegenüber dieser
Traumwelt im Verhältnis zu deiner Wirklichkeit bewusst machen?“
„Ja, es ist zwar schade, dass das ganze Geld nur Illusion war, aber natürlich weiß ich, wovon
du redest. Ich kann das Gefühl der Irrealität und Illusion gegenüber einem Traum in der Nacht
in mir finden und ich ahne, was du mir damit sagen willst: Die „Welt der Synthese“ verhält
sich zur „Welt der Polarität“, also diese meine Vorstellungswelt, wie du sie nennst, wie „die
Welt der Polarität“ zum „Traum“! Das erinnert mich, nebenbei bemerkt, ein wenig an den
„Goldenen Schnitt“ verbunden mit dem Film „Matrix“.“ Henry hat versucht einen Scherz zu
machen, doch merkt er, dass David nicht lacht, sondern seine Verbindung von Mathematik
und Hollywood sehr ernst aufnimmt.
„Sehr gut kombiniert, Henry. Du bist ein cleveres Kerlchen. Ich habe für diese Erkenntnis viel
länger gebraucht. Aber genau das wollte ich dir sagen. Ich wollte dir ein Gefühl der Illusion
und Relativität deiner Welt geben und dir somit eine Vorstellung vermitteln, wie sich eine
höhere Stufe zu einer Niedrigeren verhält, indem ich dir eine noch niedrigere Stufe als
Verhältnisbeispiel geben, die du mit deinem Wissen fassen kannst. Arithmetisch betrachtet
liegt zwischen 7 und 8 genauso viel, wie zwischen 6 und 7, nämlich genau „1“. Wobei „6“
unser Traum ist, „7“ ist die „Welt der Polarität“, also das, was du jetzt erlebst und „8“ ist die
„Welt der Synthese“, die höhere Wirklichkeit.
Wenn du auf „7“ stehst kannst du „8“ zwar noch nicht wirklich fassen, du kannst in dir aber
ein Gefühl für diese höhere Wirklichkeit hervorrufen, wenn du dir „6“ anschaust.“
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„Mir dämmert langsam wohin das führt und ich muss sagen, dass mir mulmig zumute wird.“
Henry blickt im Raum umher, schaut sich die Menschen, die Möbel, sowie die Bar an und
spricht nachdenklich: „Dann wäre ja nichts, was uns umgibt absolute Wirklichkeit! Das würde
doch komplett die Spannung aus allem nehmen!“ „Stimmt und stimmt nicht! Es ist genauso
viel Wirklichkeit, wie in deinem Traum. Alles ist wirklich da! Fass doch das Glas an. Es ist
doch alles „echt“ und erfahrbar. Werde jetzt bloß nicht unrealistisch, Henry!“
David kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, ergänzt aber gleich, „wenn du dir einen
Film auf DVD anschaust, weißt du doch auch indirekt, dass die höhere Wirklichkeit nur aus
einem Zahlencode auf der DVD besteht und das schmälert doch auch nicht dein Vergnügen
am Film. Es hilft dir höchstens ruhig zu bleiben, wenn es zu spannend oder zu brutal wird, da
du dir ja in Erinnerung rufen kannst, dass es nur ein Film und nicht wirklich echt ist.“
„Ja. Das stimmt. So gesehen ist es eigentlich eine ziemlich große Hilfe. Wenn ich dieses
Wissen in meinem Alltag parat hätte. Ich hätte einige graue Haare und einige Sorgenfalten
weniger und wahrscheinlich hätte ich auch kein Magengeschwür bekommen.
Aber ich weiß noch nicht sicher, ob das auch alles stimmt, was du mir da erzählst. Das klingt
alles viel zu einfach, um wahr zu sein!“ „Warum machst du es denn so kompliziert? Vielleicht
ist alles viel einfacher als du es dir vorstellst? Vielleicht denkst du nur zu kompliziert und
siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht!“
„Ich will dir jetzt nicht unbedingt widersprechen, nach alledem, was du mir gerade gesagt
hast. Es kann durchaus sein, dass ich irgendwie doch nicht so einen großen Plan hatte, wie ich
es annahm. Aber ich muss das alles erst mal überdenken und verdauen.
Außerdem glaub ich, brauch ich eine kurze Pause. Ich geh mal auf die Toilette. Bin gleich
wieder da!“
Henry ist einer der besten Absolventen auf der Uni gewesen. Er hat sein BWL Studium mit
„summa cum laude“ abgeschlossen und auf dem Finanzmarkt ist er ein angesagter Manager.
Er kann sehr schnell Zusammenhänge erfassen, wenn er sich intensiver mit ihnen beschäftigt,
aber er will grundsätzlich auch nur das annehmen, was er verstehen und nachvollziehen kann.
David denkt sich mit einer liebevollen, fast väterlichen inneren Stimme: „Dies, lieber Henry,
war der erste Streich und der zweite folgt möglicherweise zugleich, nachdem du deine kleine
Auszeit auf der Toilette beendet hast.“
Henry kommt wieder und man kann sehen, dass er sich wohl das Gesicht mit Wasser
abgewaschen hat. Seine Haarspitzen sind noch ganz nass und die Augen leicht rot vom
Reiben mit den Händen.
Er hat vorher noch zwei Gläser Rotwein bestellt, bevor er sich wieder auf seinen Platz setzt.
Henry schaut David an, wie ein etwas eingeschüchtertes Kind seinen Lehrer anschaut, mit
der etwas ängstlichen Frage im Gesicht „…und was kommt jetzt als nächstes?“
„Lass uns jetzt über dich sprechen, Henry. Wie sieht es eigentlich mit Geld aus?“ David kann
sehen, wie in Henry das kraftvolle Leben zurückkehrt und aus dem Schüler schnell wieder der
Meister wird, denn hierin kennt er sich nun wirklich aus. Er weiss so ziemlich alles über Geld.
Er kennt alle wichtigen Fonds, Anlagen, Kapitalbeteiligungen, sowie die Finanzlagen der
größten Firmen und Länder. Er hätte ohne Probleme aus dem Stegreif David, einen der besten
Vorträge über „Die besten Renditen weltweit“ halten können.
Jetzt ist es an ihm, David aufzuklären, denn David hat ja offensichtlich keine Ahnung von
Geld. Sein Körper erhebt sich und mit fester selbstsicherer Stimme fragt er: „Aber gern,
David, was möchtest du wissen? Es freut mich, wenn auch ich dir etwas beibringen kann,
auch wenn das Geld in die „Welt der Polaritäten“ fallen sollte, ist es ja durchaus mit das
Wichtigste in dieser Welt!“ „So, so, „das Wichtigste dieser Welt“, dann sag mir doch mal,
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was an Geld so wichtig, oder besser noch, so wertvoll ist? Du glaubst doch, dass Geld
wertvoll ist, oder Henry?“ „Aber natürlich, was für eine Frage! Das Geld ist das „Blut der
Wirtschaft“, wie wir Banker sagen…“ , „… und die Banker sind dann die Blutsauger…“
scherzt David. Henry stutz, fängt sich aber schnell wieder „Nein … äh ja, ich meine, wenn du
es so auslegen möchtest. Mir gefällt „Blutbank“ besser. Sie hilft, sozusagen als Retter in der
Not, wenn mal ein Unternehmen etwas Knapp an Blut bzw. Geld ist. Aber du hast mich
unterbrochen. Ich wollte sagen, dass das Geld das Blut der Wirtschaft ist und die Wirtschaft
bestimmt das Wohlergehen einer Gesellschaft. Geht es der Wirtschaft gut, geht es den
Menschen gut. Dann kann das Gesundheitssystem stabilisiert werden, die Bildung gefördert
werden, die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden usw. und das alles hängt vom
jeweiligen Geldbeutel, oder besser gesagt von der Finanzkraft des Landes ab! Ohne Geld
keinen Wohlstand! So einfach ist das!“
„Ist es das wirklich? Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Du bist ihr nur
ausgewichen!“ „Wie ausgewichen? Wieso? Welcher Frage bitte noch mal?“ „Was an Geld
wertvoll ist?“ „Geld an sich hat keinen Wert, wenn du das meinst. Das Material oder die
Zahlen auf dem Konto haben nichts mit dem eigentlichen Wert zu tun. Geld hat einen
Tauschwert. Du kannst für Geld andere Waren bekommen, ohne andere Waren eintauschen
zu müssen. Geld ist viel handlicher und praktischer, als mit einem Sackkarren voller Waren
rumzulaufen und zufällig jemanden zu finden, der das braucht, was ich habe, und der zufällig
auch das hat, was ich brauche!“
„Das bestreitet auch niemand“, David lässt nicht locker, „du sollst mir nur verraten warum
jeder glaubt, dass Geld wertvoll ist, wenn doch gar nichts wertvolles an Geld ist!“
Henry überlegt kurz, dann versucht er David den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ah, jetzt
weiß ich worauf du anspielst. Du spielst auf die Tatsache an, dass das heutige Geld schon
lange keine Golddeckung mehr hat. Es wird von den Banken, besonders in den westlichen
Ländern, im Prinzip aus dem Nichts erschaffen. Wir nennen das „Fiat Money“, die
Bezeichnung stammt aus der Bibel von „Fiat Lux“ (Es werde Licht) glaube ich. Mit „Es
werde Geld“ ist gemeint, dass das Geld einfach aus dem Nichts generiert wird. Ich weiß, dass
private Banken das Geld für die Staaten und Regierungen drucken bzw. mittels Tastatur in
einen Computer eingeben und es an sie gegen Zinsen verleihen. Na und…? Natürlich ist das
im Prinzip die größte Verarsche, die die Welt je gesehen hat, aber…!“ „Henry“, unterbricht
ihn David „Du brauchst mir hier nichts zu beichten. Ich hab kein Problem damit. Ich weiß das
alles. Aber was ist mit meiner Frage? Was ist an Geld wertvoll?“
„NICHTS, gar nichts ist an Geld wertvoll. Es ist bedrucktes Papier oder Zahlen auf einem
Konto, die rein imaginär sind. Es hat selbst keine Wertsubstanz! Ist es dass, was du wissen
willst!“ „Und warum will es dann jeder haben, Henry?“ „Weil wir es schon immer so gelernt
haben. Jeder hat von klein auf beigebracht bekommen, dass Geld wertvoll ist. Mit Gold ist es
doch genauso. Was ist an Gold schon wertvoll? Mal von Zahnersatz, Kunstwerken und
einigen Industrieprodukten abgesehen, ist es doch zu nichts weiter zu gebrauchen!“
Jetzt bemerkt Henry, dass er sich selbst in den Rücken gefallen ist. Instinktiv weiß er es schon
immer, aber so richtig hat er nicht gewagt darüber nachzudenken. Erst durch den Druck von
David, konnte oder musste er die unsichtbare Grenze überqueren, die sein scheinbar festes
Weltbild vom „Geldbild“ umgab.
„Ja du hast recht, David. Geld ist eigentlich wertlos!“, gibt Henry etwas kleinlaut wiederholt
zu. Er verliert jetzt immer mehr die Haltung und scheint gerade seine letzte Festung verloren
zu haben. „Nein, das stimmt nicht, Henry. Es gibt etwas, was hinter dem Geld steht und
wodurch das Geld wertvoll wird!“ „Was meinst du?“ „Du hast es gerade gesagt: Es ist der
Glaube an das Geld! Die Menschen glauben, dass Geld oder auch Gold wertvoll sind,
obwohl an ihnen überhaupt nichts wirklich wertvolles ist! Der Glaube des Menschen ist
es, was die Dinge wertvoll macht!“
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Henry überlegt kurz, dann scheint er zu verstehen: „Dann gilt das gleiche für Bilder,
Kunstwerke, Antiquitäten, Reliquien und vieles andere auch!“
„Völlig richtig Henry. Du bist halt ein heller Kopf.“ Henry weiß nicht ob David das ernst
gemeint hat, oder ob er sich gerade lustig gemacht hat. Vielleicht beides zugleich!
„Ich will dir noch ein anderes Beispiel geben, Henry: Nimm doch mal die Briefmarke „die
Blaue Mauritius“. Ihr angeblicher Versicherungswert, so hab ich gehört, liegt bei ca. einer
Millionen Dollar. Was ist an einem kleinen, fehlerhaften und bereits abgestempelten
Papierschnipsel denn so wertvoll?“
„Die Einzigartigkeit und Seltenheit natürlich!“, verteidigt Henry die Briefmarke. David riss
ein Stückchen, in der Größe einer Briefmarke, von seinem Bierdeckel ab und hielt sie Henry
vor das Gesicht: „Was unterscheidet die „Blaue Mauritius“ von diesem Schnipsel hier? Auch
er ist einzigartig und selten. Du wirst nie wieder einen solchen Schnipsel finden, der genau
diese Reißkanten hat!“
Henry starrt den Schnipsel eine Weile an und sagt: „Ich glaube, ich fange an zu verstehen,
was du damit sagen willst. Man muss den Menschen nur glauben machen, etwas sei wertvoll
und dann ist es auch wertvoll, aber nur deshalb, weil sie es glauben. Der Glaube ist der Wert
hinter den Dingen!“ Er macht eine kurze Pause und folgert weiter „Wenn ich das recht
bedenke, funktioniert im Prinzip die ganze Börse nach dieser Grundregel! Der Glaube ist es,
der den Wert schafft!“ „Richtig, genau das habe ich versucht dir zu vermitteln. Das Wort
„Geld“ hängt mit „Geltung / gelten / das, was gilt“ zusammen, und das, was wirkliche
Geltung hat, ist der „Glaube des Menschen“!“
Henrys Gesicht entspannt sich. Innerlich hat er gerade kapituliert. Ihm geht seine großartige
Bildersammlung durch den Kopf, die er immer ganz stolz all seinen Freunden und Besuchern
bei sich zu Hause, als langfristige und sichere Wertanlage, präsentiert hat, denn mit jedem
Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Künstler stirbt größer.
David nimmt das Gespräch, nach einer kurzen Pause des verstehenden Schweigens, als erster
wieder auf: „Wenn ich jetzt ein Heiliger wäre, was glaubst du, ist dann dieser
Bierdeckelschnipsel hier wert? Wo doch mein Fingerabdruck darauf ist?“ „Wenn du einen
Dummkopf finden würdest, der das glaubt, dann würde er vermutlich einiges dafür zahlen und
wir könnten ein riesen Geschäft mit deiner Person machen!“ „Du denkst schon wieder nur ans
Geld! Aber grundsätzlich hast du recht. Er würde uns, für den kleinen Schnipsel mit meinem
Fingerabdruck, notariell beglaubigt natürlich, einen Berg von ebenso wertlosen Schnipsels,
nämlich Geld, geben. Wir verarschen uns also gegenseitig, sind aber beide glücklich. Ein
guter Tausch, nicht wahr!“ David grinst und Henry wird immer mehr die Absurdität dieses
Spieles, das die Menschheit schon so lange zu spielen scheint, bewusst. „Das ist ja, wie bei
Monopoly, ich tausche Zettel gegen Zettel, das ist das ganze Spiel. Doch die Menschen haben
sich mittlerweile so sehr verzettelt, dass sie den Zettel nicht mehr von der Wirklichkeit
unterscheiden können. Den Schein des (Geld)Scheins nicht mehr sehen“, folgert Henry und
grinst, weil ihm aufgefallen ist, dass „Schein“ „nur Illusion sein“ bedeutet, aber auch die
Abkürzung für Geldschein ist.
„Ist das Zufall“, denkt er sich, „oder ist doch etwas dran, an dem lateinischen Sprichwort
„nomen est omen“ („Im Namen liegt die Vorbedeutung“)? Der Geld-schein gilt nur zum Schein.“
„…oder mit Shakespeare gesagt: Der ganze Wahn ums Geld bedeutet im Kern: „Viel Lärm
um Nichts!“, ergänzt David.
„Jetzt wird mir auch die Verbindung der Banken zu den Medien und der Politik klar. Im
Prinzip weiß ich, dass alle Banken der westlichen Welt miteinander vernetzt sind und dadurch
alle unter einer Decke stecken. Sie beherrschen oder kontrollieren direkt und indirekt die
Massenmedien aufgrund ihrer Geldmacht und Werbekraft, und die Massenmedien
kontrollieren den Glauben der Masse der Bevölkerung, und damit die Wahlen in der Politik,
so dass auch die Politik direkt und indirekt gesteuert wird. Die Politik und der jeweilige Staat
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selbst, sowie der Anzug und die Krawatte des Bankers, wiederum geben dem Geld ein
seriöses Äußeres. Dadurch ist gesichert, dass die Menschen glauben, nichts anderes zu hören,
als dass Geld wertvoll ist und nie auf den Gedanken kommen zu fragen, was an Geld
überhaupt wertvoll ist, oder vielleicht das ganze System in Frage stellen. Die Menschen
tauschen ihre eigentlichen Werte, wie Häuser oder ihre Arbeitskraft bei der Bank gegen
Geld, also nur bedrucktes Papier oder Zahlen auf dem Kontoauszug ein. Der Banker
bekommt die Wertzusicherung des Geldes nur durch das Pfand (z.B. das Haus), was der
Schuldner ihm überschreibt. Das Geld entsteht dann aus dem Nichts! Extrem dreist, aber doch
irgendwie genial!“ Henry ist von seiner kurzen Zusammenfassung selbst ganz überrascht.
Scheint er es doch intuitiv immer gewusst oder geahnt zu haben.
David ergreift wieder das Wort und sagt: „Es ist wie in dem Märchen „Des Kaisers neue
Kleider“. Erst der unwissende kleine Junge spricht aus, dass der Kaiser gar keine Kleider an
hat! Die Massenmedien versuchen in der Regel nur zu manipulieren und den Menschen einen
vorgegebenen Glauben einzuhämmern (Geld ist das Wichtigste) bzw. Angst zu machen
(Vogelgrippe, Terrorismus, Unfälle, Überfälle, etc.), weil die Masse am besten durch die Angst
gesteuert werden kann. Sagte ich dir nicht schon vor Jahren, dass Zeitung lesen dumm macht!
Du hast dich über diese Ansicht immer lustig gemacht und mich als „netten, aber weltfremden
Spinner“ bezeichnet!“ David kann sich diesen letzten kleinen vielleicht etwas überzogenen
Seitenhieb nicht verkneifen, weil er weiß wie stolz Henry auf seine Allgemeinbildung ist, die
er regelmäßig durch das Studium der verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen aufrecht
erhält.
Jetzt langsam ist der Höhepunkt dieser Unterhaltung gekommen und David holt zum letzten
Schlag aus: „Und nun zurück zu deiner Frage, Henry.“ „Frage, welche Frage, ich habe keine
Fragen mehr, zumindest im Moment will ich gar nichts mehr wissen!“ „Deine Frage am
Anfang unseres Gespräches war, ob ich denn bei all meinen Studien überhaupt noch Realist
bleiben kann? Um dir diese Frage zu beantworten, musste ich dir all das vorher erklären.
Jetzt kannst du selbst entscheiden: Der eine versucht, das, was offensichtlich ist, wenn man
seine Augen und seinen Verstand auch wirklich benutzt, zu verstehen, und der andere
verstrickt sich in Illusionen und rennt sein leben lang hinter einem Trugbild Namens „Geld“
her, von dem er nie genug bekommen kann und glaubt ohne dies nicht zu überleben! Wer von
uns beiden ist nun der größere Realist?“
Henry schweigt eine Minute, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommt und in der sich sein, wie er
glaubt, so logisches festes Weltbild, wie ein Luftschloss aufzulösen beginnt.
„O.K. Du hast gewonnen. Ich gebe auf. Und was soll ich jetzt machen?“ fragt Henry sichtlich
hilflos und resignierend, „99,9 % aller Menschen funktionieren aber nach meinem Glauben
von „Geld ist wertvoll und es muss so viel wie möglich davon her“ und „ohne Geld kein
Leben“!“, versucht er sich ein letztes mal zu verteidigen.
„Da fällt mir nur ein Zitat ein: Fresst Scheiße, Millionen von Fliegen können sich nicht irren!
Oder mit der Bibel etwas vornehmer ausgedrückt: Mt 7,13 „Breit ist der Weg der Masse in die
Verderbnis und schmal ist der Weg ins Himmelreich, den nur wenige gehen“ und dazu
ergänzend noch Mt 6,24 „Du kannst nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon“!“
Henry ist auf diese direkte Antwort nicht vorbereitet gewesen, fängt sich aber schnell wieder
und erwidert: „Du kannst mich jetzt nicht mit einem schlauen Spruch und zwei Bibelzitaten
abspeisen. Erst gibst du mir eine Watsche nach der anderen, dann erschütterst bzw. zerstörst
du innerhalb von einer Stunde mein ganzes Weltbild, ruinierst nebenbei meine
Kunstsammlung und verdirbst mir möglicherweise den Spaß an meiner Arbeit, die mir vorher
soviel Vergnügen bereitet hat. Also lass mich jetzt nicht so in der Luft hängen!“
„Es ist alles nicht so schlimm, wie es dir vielleicht im Moment erscheint.
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Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du vergisst und verdrängst, was ich bzw. du dir selbst
gerade alles gesagt hast, dann wird im Prinzip alles wieder so sein wie früher, oder du
versuchst einfach nur zu verstehen, wie alles funktioniert, ohne etwas zu verurteilen!“
„Wie meinst du das, ich müsste nur verstehen, wie alles funktioniert ohne zu verurteilen und
ohne etwas zu unternehmen?“
„Mit „verstehen“ meine ich ein passives Verhalten, kein aktives „Machen müssen“ oder
„Handeln müssen“. Aus der Sicht der „Welt der Synthese“ macht Alles Sinn! Kein Mensch
ist, von dieser höheren Stufe aus betrachtet, schuldig und müsste bestraft werden. Du hast
auch nie etwas „falsch“ gemacht, Henry, das kannst du gar nicht. Du hast dich nur
verschiedenen Erfahrungen innerhalb der Polarität hingegeben, über die du das Gefühl von
angenehm und unangenehm bekommen hast. Alles ist, von oben gesehen, sehr GUT!“
„Ich verstehe im Moment überhaupt nichts mehr. Jetzt soll wieder alles „sehr gut“ sein. Wo
ich doch gerade meine kleine Welt zusammenbrechen sah. Und überhaupt wieso gibt es
keinen der „Schuld“ hat und wieso kann ich nichts „Falsches“ machen? Was ist eigentlich
noch Realität und was ist Illusion? Bin ich oder du verrückt, David?“
„Beide und keiner! Je nach Standpunkt, von welchem man das Ver-rückt-sein betrachten
will!“, grinst David. „Nein, sag lieber gar nichts mehr. Deine Antworten verwirren mich nur
noch mehr, als dass sie Klarheit schaffen!“
Henry sieht aus, als würde er sich im nächsten Moment gerne freiwillig in eine psychische
Behandlung geben.
David erkennt, dass er vielleicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Es ist schon etwas unfair
von ihm, Henry, der nur wenig Hintergrund über die geistigen Zusammenhänge besitzt, mit
seinen Erkenntnissen, die sich in all den Jahren langsam entwickelt haben, innerhalb von einer
Stunde zu konfrontieren. Schließlich mag er Henry und das Gespräch sollte eigentlich nur
zum besten Henrys sein, aber wie es scheint war dieser mehr am Verzweifeln, als vor Glück
und Verstehen in die Höhe zu springen. Aber die Ernüchterungs- und Entzugsphasen sind nie
angenehm!
Da fällt ihm das Buch ein, was er zufällig heute in seine Tasche gesteckt hat, um vielleicht im
Park am Nachmittag noch etwas weiter zulesen. Er kam zwar nicht dazu, aber wie es scheint,
hat es doch seinen Sinn gehabt, es einzupacken und mit rumzuschleppen. Er zieht es aus
seiner Tasche und überreicht es dem etwas verwirrt dreinschauenden Henry.
„Hier, für dich! Vielleicht hilft es dir ein Stückchen weiter, beim Verstehen, wie die
Schöpfung funktioniert!“
„Der Schöpfungsschlüssel“ liest Henry den Titel des Buches laut vor.
„Es wirkt am Anfang etwas trocken und theoretischer, als es in Wirklichkeit ist. Denn hast du
den Grundaufbau erst mal verstanden, dann wirst du, dich und deine Welt, sehr viel mehr
verstehen können. Viel Spaß dabei!“ faßt David das Buch kurz zusammen.
Henry zögert, ob er noch ein „Geschenk“ von David heute psychisch verkraften kann, doch
dann entschloss er sich das Buch dankend einzupacken.
„David, es tut mir leid, aber das ist alles zu viel für mich an einem Abend. Du hast mein
ganzes Weltbild zerstört und wie ich jetzt erkenne meinen „Herrn“, das Geld, von seinem
Thron geholt. Ich muss das alles erst in Ruhe überdenken.
Ich kann mich jetzt mit dir nicht weiter unterhalten. Es ist schon zu viel. Meine Kapazität ist
mehr als überfüllt. Schau mal meine Hand an, sie fängt schon das Zittern an. Das passiert
immer, wenn ich zu nervös werde. Entschuldige, aber ich glaube ich muss jetzt gehen.
Ich melde mich bei dir wieder, sobald ich unser Gespräch etwas verdaut und eventuell das
Buch gelesen habe.
Falls das stimmt, was du mir alles erzählt hast, dann wird sich in meinem Leben etwas ändern
müssen. Du hörst von mir!
15
Dieser Abend geht übrigens auf mich, ich hab der Kellnerin schon bescheid gesagt. Bis
bald!…
… Ach und David, auch, wenn ich es im Moment noch gar nicht wirklich wertschätzen kann,
vielen Dank für das Gespräch!“
David lächelt ihn liebevoll an und blickt Henry noch nach, bis er hinter der Tür verschwindet,
dann lehnt er sich zurück, genießt einen Schluck Wein und schmunzelt, weil er weiß, wie sich
Henry jetzt fühlen muss. Ihm erging es früher oft ähnlich. Allerdings hatte er nie so eine
heftige Dosis an Erkenntnis in so kurzer Zeit bekommen, wie sie heute Henry bekam.
„Es ist schon hart, wenn es, von jetzt auf gleich, den Anschein hat, dass man den Boden, auf
dem man steht, unter sich verliert. Aber je eher der Mensch den Lug und Trug durchschaut,
desto besser. Wie heißt es doch so schön: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken
ohne Ende.
Er hat jetzt vom Schicksal eine neue Chance bekommen, sich zu öffnen, seine alten
Glaubensmuster zu durchbrechen und neues Wissen aufzunehmen, um die GÖTTLICHE
Schöpfung ein bisschen mehr zu verstehen.
Vielleicht wird es sie nutzen, vielleicht auch nicht.
Ich bin mal gespannt auf unser nächstes Gespräch!“, denkt sich David im Stillen.
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